Verfahren geplatzt: Teilsieg für Shell vor US-Gericht
Der Zivilprozess gegen den Ölmulti Shell wegen Mitverantwortung beim Tod des nigerianischen Bürgerrechtlers wurde abgesetzt. Dafür wird eine andere Klage wieder zugelassen.
BERLIN tazDer Versuch, den Ölmulti Shell im Zusammenhang mit der Hinrichtung des nigerianischen Bürgerrechtlers Ken Saro-Wiwa 1995 juristisch zu belangen, geht in eine neue Runde. Das zuständige Bezirksgericht von Manhattan in New York hat am Mittwoch zwar das ursprüngliche Verfahren in dieser Sache gestoppt, aber dafür wurde eine bereits gestoppte, noch schärfere Klage von einem Berufungsgericht wieder zugelassen. Der Gerichtsstreit gilt als Testfall in der Frage, wie weit multinationale Konzerne für Vorgänge in ihrem Einflussbereich verantwortlich sind oder doch eher die dortige Staatsmacht.
Ken Saro-Wiwa war ein berühmter Schriftsteller in Nigeria und stammte aus den Ölgebieten des Niger-Flussdeltas. In den 1990er-Jahren wurde er zum Politaktivisten und machte mit der Protestbewegung Mosop (Bewegung für das Überleben des Ogoni-Volkes) gegen die damals himmelschreienden Umweltschäden mobil, die die Ölförderung durch Shell im Siedlungsgebiet der Ogoni und vor allem das Abfackeln von Gas anrichtete. Durch Saro-Wiwas Prestige wurde dieser gewaltfreie Protest weltweit bekannt. Im November 1995 wurde Saro-Wiwa zusammen mit acht weiteren Aktivisten von Nigerias damaliger Militärjunta gehenkt.
Inzwischen regiert das Militär in Nigeria nicht mehrt, Shell hat die Ölförderung im Ogoniland eingestellt und im Niger-Delta tobt statt friedlicher Proteste eine bewaffnete Revolte, die große Teile der Ölindustrie lahmlegt, insbesondere die Ölterminals von Shell. Die Rebellen sind seit einigen Wochen Ziel einer massiven Militäroperation, die Hunderte Tote gefordert hat. Genau davor hatte Saro-Wiwa zu Lebzeiten immer gewarnt, falls man nicht auf ihn hört.
1996 reichten Saro-Wiwas Hinterbliebene in den USA Klage gegen Shell ein. Es ging um den Vorwurf, der Konzern habe die Hinrichtung Saro-Wiwas stillschweigend toleriert oder gar gefördert. Der Konzern hat das immer zurückgewiesen und gesagt, er habe Nigerias Militärjunta vielmehr zu Gnade aufgerufen. Die Kläger wollen mit der Klage Shell zivilrechtlich für die Hinrichtung haftbar machen.
Aber am Mittwoch sagte die zuständige Richterin Kimba Woods vom Bezirksgericht Manhattan in New York die Voranhörung zu diesem Verfahren ohne Begründung oder neuen Termin ab, nachdem bereits der Prozess auf unbestimmte Zeit verschoben worden war. Damit ist dieses Verfahren vorerst geplatzt. Nun wird über eine außergerichtliche Einigung spekuliert. Schon 2008 hatte Woods eine Klage wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit abgewiesen, die Saro-Wiwas Hinterbliebene 2004 gegen die "Shell Petroleum Development Company" (SPDC) angestrengt hatten, das Joint Venture zwischen der Shell-Tochter Shell-Nigeria und dem nigerianischen Staat. Aber diese Klage wurde am Mittwoch von einem Berufungsgericht wieder zugelassen. Die Kläger dürfen nun sogar Shell-Nigeria zur Herausgabe von Dokumenten zwingen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos
Wirbel um KI von Apple
BBC kritisiert „Apple Intelligence“