Vereinte Nationen Kriege und Klimawandel erhöhen Zahl auf 815 Millionen Menschen: 2016 wieder mehr Hungernde
Berlin taz | Erstmals nach mehr als zehn Jahren ist die Zahl der Hungernden wieder gestiegen. 2016 hatten weltweit schätzungsweise 815 Millionen Menschen zu wenig zu essen, teilte die Organisation der Vereinten Nationen für Ernährung und Landwirtschaft (FAO) am Freitag mit. Das sind rund 5 Prozent mehr als im Vorjahr.
Dass es nun binnen eines Jahres 38 Millionen Hungernde mehr gibt, liegt den Experten zufolge vor allem an der anhaltenden Gewalt in vielen Konfliktregionen. „Im vergangenen Jahrzehnt hat die Zahl der Konflikte dramatisch zugenommen, und sie sind komplexer und schwerer lösbar geworden“, erklärten mehrere UN-Organisationen.
Auch der Klimawandel habe Anteil. Dürren und Überschwemmungen etwa, die teilweise mit der Erderwärmung in Zusammenhang stehen, hätten die Versorgung mit Nahrungsmitteln in vielen Ländern beeinträchtigt.
Besonders hat sich die Ernährungslage verschlechtert in Teilen von Afrika südlich der Sahara sowie Südost- und West-Asiens. Im Südsudan wurde im Frühjahr 2017 eine Hungersnot ausgerufen. Labil sei die Situation überdies im Nordosten von Nigeria, Jemen und Somalia.
Weniger Hilfe für Arme
Sinkendes Wirtschaftswachstum habe die Lage jedoch auch in weniger konfliktbeladenen Regionen verschlechtert, heißt es in dem Bericht. Durch geringere Devisen- und Steuereinnahmen hätten zahlreiche Staaten weniger Lebensmittel einführen und arme Haushalte weniger unterstützen können. Zugleich seien die Nahrungsmittelpreise aber gestiegen.
„Die steigende Zahl der Hungernden in der Welt markiert eine Trendwende in die falsche Richtung“, sagte Bärbel Dieckmann, Präsidentin der Welthungerhilfe. Sie wies darauf hin, dass drei von vier Betroffenen auf dem Land lebten. Deshalb müsse auch die zukünftige Bundesregierung weiterhin Investitionen in die Landwirtschaft und eine faire Agrarpolitik vorantreiben.
Kleinbauern statt Industrie
Die Nothilfe- und Entwicklungsorganisation Oxfam warf Deutschland vor, auf eine falsche Strategie zu setzen. „Statt die Agrarindustrie zu fördern, sollten diejenigen unterstützt werden, die am meisten vom Hunger betroffen sind, zum Beispiel arme Kleinbauern“, so Oxfam. „Konkret gilt es Landraub zu stoppen, die Spekulation mit Nahrungsmitteln einzudämmen und Billigexporte in Entwicklungsländer zu beenden“. Nur so sei das Ziel zu erreichen, bis zum Jahr 2030 Hunger und Mangelernährung zu beenden. Die Agrarindustrie verdränge kleinbäuerliche Familien und verschärfe ökologische Probleme.
Trotz der Rückschläge im Kampf gegen den Hunger ist die Zahl der Kinder, deren Entwicklung wegen Unterernährung beeinträchtigt ist, nicht gestiegen. Dennoch seien weiterhin 155 Millionen Kleinkinder als Folge von Mangelernährung kleinwüchsig, so der UN-Bericht. Zudem hungerten 2016 immer noch weniger Menschen als im Jahr 2000. Damals waren 900 Millionen betroffen.
Während die Zahl unterernährter Kinder langsam zurückgehe, nehme allerdings der Anteil der übergewichtigen Minderjährigen weiter zu – und das fast überall auf der Welt, berichteten die Experten der Vereinten Nationen. Im vergangenen Jahr waren es demnach 41 Millionen. (mit epd) Jost Maurin
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen