Verdorbens Fleisch: Dönerspieße gammeln weiter
Verdorbenes bayerisches Fleisch dreht sich noch immer in Berliner Imbissen.
MÜNCHEN taz Im Zusammenhang mit dem jüngsten Gammelfleisch-Skandal wird ein Versagen der bayerischen Behörden und zuständigen Politiker immer deutlicher. Am Donnerstag hat der Vizepräsident des deutschen Verbandes unabhängiger Prüflabore (VUP) den bayerischen Behörden und der zuständigen politischen Führung schweres Versagen vorgeworfen.
"Die Lebensmittelsicherheit ist den Politikern nicht wichtig, da geht einem der Hut hoch", sagte VUP-Vize Gero Beckmann bei einem Pressegespräch von Grünen und SPD in München. "Jede Gemeinde nimmt beim Parkknöllchenverteilen mehr ein als die gesamten bayerischen Lebensmittelkontrolleure mit ihren Bußgeldern." Die jetzt durch einen Zeugen entdeckte Gammellieferung sei höher als das Jahresergebnis der 70-Mann-Gammel-Task-Force.
Beckmann warnte, dass immer noch Dönerspieße mit Gammelfleisch aus Wertingen im Umlauf seien. "Mit hoher Wahrscheinlichkeit ist ein Teil der Ware noch nicht gegessen, sondern lagert tiefgekühlt." Zwischen 140 und 160 Tonnen Fleisch hatte die Firma "Wertfleisch" an Berliner Dönerproduzenten geliefert. Der Hygieniker Beckmann, der in Oberfranken ein amtlich anerkanntes Prüflabor betreibt, ließ am Wochenende Döner aus Hessen, Thüringen und Bayern mikrobiologisch untersuchen. Das Ergebnis: In jedem dritten Döner fand sich Schweinefleisch. Viele der Spieße seien nur "Hackfleischpampe mit ein paar Fleischlappen zur Stabilisierung". Und: Geflügeldöner bestehen zu 40 Prozent aus Geflügelhäuten.
Um die Zustände abzustellen, müssten Spürhunde eingesetzt und Kühlhäuser mit Wärmebildkameras überprüft werden - und überhaupt erst einmal eine ordentliche Grundausrüstung für die amtlichen Lebensmittelkontrolleure beschafft werden. Derzeit müssen viele noch mit den eigenen Ski-Jacken in die Kühlhäuser gehen. "Es herrscht überhaupt keine Waffengleichheit zwischen den Prüfern und der Wirtschaft", so Hygieneexperte Gero Beckmann. Notwendig seien auch bessere und klarere Gesetze. Derzeit hätten die Verantwortlichen zu viel Ermessensspielraum, so Beckmann. Die Personalsituation müsse verbessert werden - in Schwaben sind derzeit 11 Planstellen unbesetzt - und wegen der internationalen Warenströme der Zoll regelmäßig mit einbezogen werden. Mit Blick auf den Weggang des bayerischen Verbraucherschutzministers Werner Schnappauf (CSU) meinte Beckmann über den möglichen Nachfolger Markus Söder, es sei fraglich, ob dieser der richtige Ersatz sei.
Ein Teil des Fleisches, das die Firma "Wertfleisch" im August nach Berlin liefern wollte, ist mittlerweile untersucht. Ranzig, faulig, muffig und deutlich alt, lautet das Urteil bei allen Rindfleischproben. In der mikrobiologischen Untersuchung bestätigte sich der sensorische Befund durch den deutlichen Nachweis von Verderbsflora. Dennoch beschwichtigt das bayerische Gesundheitsamt. Eine Gesundheitsgefahr lasse sich aus diesen Ergebnissen nicht ableiten.
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