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Verdi-Vizechefin zur Arcandor-Insolvenz"Keiner soll einfach arbeitslos werden"

Ohne die Finanzkrise hätte der Mutterkonzern von Quelle und Karstadt wohl überlebt, sagt Verdi-Vizechefin Margret Mönig-Raane. Staatshilfen wären deshalb durchaus angemessen gewesen.

Karstadt hat noch offen, Hertie ist schon dicht: ein Schaufenster der geschlossenen Hertie-Filiale in Eschweiler bei Köln. Bild: dpa
Beate Willms
Interview von Beate Willms

taz: Frau Mönig-Raane, hat Sie das schnelle Ende von Arcandor jetzt überrascht?

Nein. Arcandor war von Anfang an ein Kunstprodukt, für das diverse Vorstände mit großen Ideen die verschiedensten Geschäftsbereiche zusammengekauft haben. Geknirscht hat es bei der Zusammenarbeit dieser Bereiche aber immer wieder.

Bild: ap
Im Interview: 

Margret Mönig-Raane, 61, ist stellvertretende Bundesvorsitzende der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi und betreut dort seit 2005 auch den Fachbereich Handel. Die gelernte Sozialarbeiterin ist Mitglied im Aufsichtsrat von Arcandor.

Also waren doch Managementfehler dafür verantwortlich, dass jetzt Tausende Arbeitsplätze verloren gehen?

Ein Teil der Entwicklung ist sicher durch hausgemachte Probleme entstanden, aber die wären normalerweise durchaus zu bewältigen gewesen, wenn nicht die Finanz- und Wirtschaftskrise so stark durchgeschlagen hätte. Nehmen Sie Quelle-Primondo, wo es jetzt am schlimmsten steht: Die Neustrukturierung ist durch die ständigen Wechsel der Konzepte viel zu langsam in die Gänge gekommen. Sie ist - oder war - zumindest mit der Weiterentwicklung des Online-Geschäfts auf einem guten Weg. Dann aber fehlte die Investitionsmasse, das Geld für die IT-Plattform.

Was hatte die Krise damit zu tun?

Wirklich kritisch wurde es bei Arcandor erst, als die Royal Bank of Scotland in Schieflage geriet, mit der der Konzern einen wichtigen Kreditvertrag verhandelt hatte. Dann wurde die Bank teilverstaatlicht - und nichts ging mehr. Oder nehmen Sie das Russlandgeschäft, das für Primondo wichtig ist. Hier kamen mit der Krise die Währungsturbulenzen.

Demnach hätte Arcandor Anspruch auf staatliche Hilfen aus dem Deutschlandfonds?

Warum es die nicht gegeben hat, wird noch zu untersuchen sein. Schließlich hat der Bund ja nicht nur für Opel Geld bereit gestellt, sondern auch für etliche Mittelständler. Ganz offensichtlich fehlen hier klare Kriterien, nach denen die Bürgschaften vergeben werden.

Für Quelle-Primondo ist es jetzt zu spät. Insolvenzverwalter Klaus Hubert Görg hat angekündigt, schon im Insolvenzverfahren 3.700 von 10.500 Stellen zu streichen. Was passiert mit den Entlassenen?

Wir haben uns gleich am Freitag zu einem runden Tisch getroffen. Niemand soll einfach in die Arbeitslosigkeit gehen. Wir wollen eine Transfergesellschaft, die den Mitarbeitern Brücken in den Arbeitsmarkt erhält, etwa durch Qualifizierungsangebote.

Wer finanziert das?

Die Bundesagentur für Arbeit wird einen Großteil übernehmen. Der Rest soll aber wohl aus dem Unternehmen kommen.

Das ist aber doch pleite. Görg hat gesagt, im ganzen Unternehmen gebe es nichts, was nicht jemand anderem gehört.

Daraus sollte aber jetzt niemand den Schluss ziehen, dass die Mitarbeiter für die Finanzierung mit aufkommen müssten. Das ist absurd. Schließlich haben die schon geblutet. Sie verzichten seit Monaten auf Urlaubsgeld, auf Weihnachtsgeld - und nun sind sie auch ihren Arbeitsplatz los. Kurz und gut: Über die Finanzierung verhandeln wir noch.

Und was ist mit Karstadt?

Da ist die Lage nicht so angespannt. Die Warenhäuser sind liquide, die Geschäfte laufen. Hier kommt es darauf an, dass die Manager schlüssige Konzepte für die jeweiligen Standorte entwickeln, damit sich auch Investoren finden.

Was halten Sie von Metro?

Die Übernahme durch Metro ist eine mögliche Lösung. Aber im Interesse aller Beteiligten sollte sich der Insolvenzverwalter nicht vorzeitig auf einen Interessenten festlegen oder gar nur mit dem verhandeln - zumal Metro schon deutlich Politik gemacht hat, indem Metro-Vorstandsvorsitzender Eckhard Cordes diverse Karstadt-Filialen schlecht geredet hat. INTERVIEW: BEATE WILLMS

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8 Kommentare

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  • JK
    Juergen K.

    Dazu muss man noch anmerken, dass anschliessend sich die 3700-Meute um die spärlichen 400 Euro Jobs streiten wird.

  • JK
    Juergen K.

    Wieso kürzt man 3700 Stellen von 10500 und nicht

    jedem 3700/10500 Arbeitszeit und Lohn ?

     

    Da bleiben dann immer noch ca. 65% Brutto, wegen der Steuerprogression vielleicht 70% Netto.

     

    Der Eine oder Andere mag vielleicht auch Wohngeld bekommen ?! Sei es drum !

     

    Aber er muss nicht in den Hartz4 Selbstmord.

  • J
    Joachim

    Natürlich ist sie nicht überrascht.

    Als sog. "Arbeitnehmervertreter" sitzt sie ja gutdotiert im Aufsichtsrat und ist über alle Unternehmensentscheidungen von Anfang an informiert gewesen. Anscheinend wurde ja immer alles ungeprüft durchgewinkt.

  • AW
    Andrea W.

    Es wird mit Karstadt wohl wie mit Hertie kommen....ganz sicher.

  • MB
    Martin B.

    Sehr geehrte Fr. Margret Mönig- Raane,

    Ihre Kenntnisse über die Vorgänge im ehem. Karstadt- Quelle Konzern scheinen leider ziemlich begrenzt zu sein.

    1. Die Mitarbeiter verzichten nicht seit einigen Monaten auf Urlaubsgeld, Weihnachtsgeld und andere Leistungen sondern seit Abschluß des 1. Sanierungstarifvertrages im Jahre 2004 (Sollte Ihre Gewerkschaft davon evtl. nichts mitbekommen haben??)!

    2.Seit Ende der 90'er Jahre wurde den Filialen die Eigenständigkeit immer weiter entzogen. Standortindividuelle Sortimente wurden nicht mehr zugelassen. Umsätze brachen seit ein, Mitarbeiter wurden demotiviert bzw. verließen den Konzern.

    3. Ltd. Angestellte wurden eingestellt und blieben max. 1- 1/2 Jahre (z.B. H. Wolff). Aus Direktoren wurden Verkaufsleiter und Einkaufsleiter (extern eingestellt) und die Anzahl dieser Stellen bei gleichem Gehalt und Dienstwagen (7er BMW, Mercedes S- Klasse) verdoppelt. Ich vermute auch davon hat die Arbeitnehmerseite im Aufsichtsrat nichts mitbekommen.

    4. Die Mitarbeiter/innen wurden seit Jahren für dumm verkauft. Mitarbeiterversammlungen die dazu gedient hätten, die Belegschaft darüber zu informieren, wie ernst die Lage im Unternehmen ist, fanden in den vergangenen Jahren, erst statt als jeder in der breiten Öffentlichkeit über den Zustand des Unternehmens besser informiert war wie die Mitarbeiter selber. Auch darauf hat eine Gewerkschaft vermutlich keinen Einfluß.

    5. Die Royal Bank of Scotland? Seit Jahren war das Rating der Arcandor AG eine Katastrophe. Die Probleme der o. g. Bank haben nichts mit der Misere der Arcandor AG zu tun, denn seit Jahren wurde Geld verbrannt.

    Leider bleibt mir Ihre Rolle, bzw. der Arbeitnehmervertretung, im Aufsichtsrat der Arcandor AG ein Rätsel!

    Mitleid habe ich mit allen Mitarbeitern die Ihren Job verlieren, aber Ihre dummen Aussagen haben Diese nicht Verdient.

    Wo waren Sie, und Ihre Gewerkschaft, die letzten Jahre??

    Habe 25 Jahre bei Karstadt gearbeitet, die ersten 20 gerne, die nächsten 5 unter Verleugnung meiner betriebswirtschaftlichen Kenntnisse und heute bin ich froh seit 3 Jahren nicht mehr dabei zu sein.

  • KH
    Klaus Hoffmann

    Wieso habe Sie als Aufsichtsrätin nicht verhindert, dass solche gravierenden Fehler ungestraft blieben?

  • BH
    Brigitte H.

    Na hoffentlich denkt dann auch mal jemand an die mitarbeiter,welche Aufhebungsverträge geschlossen haben und leer ausgingen.Bin mal gespannt ,ob auch wir in die Transfergesellschaft kommen oder die Komplettidioten sind,weil wir seit 30.06.draussen sind. Super,keine Abfindung und kein Arbeitsplatz,was tut Ihr denn für uns,liebe Verdi,lieber BR,liebe Regierung ? Es gibt nicht nur die verbliebenen Mitarbeiter,die nun blöd dran sind!

    Auch andere haben 30 Jahre bei Quelle gearbeitet und sind nun die Doofen.Da bin ich mal gespannt !

    Vorstände machen sich die Taschen voll,kriegen Dividenden und die Mitarbeiter sind die Bauernopfer ?

  • JK
    Juergen K.

    WO

     

    ist jemand, der will, dass auch alle Arbeitslosen nicht arbeitslos sind ?

     

    Und vor allen Dingen in der Regierung !?

     

    Warum werden all diese Millionen Anderen zu HILFEBEDÜRFTIGEN

    entmündigt und deklassiert !?