Verbraucherschutz: "Heimlichtuerei ohne Zukunft"
Mit dem Internet erhält der Verbraucher mehr Macht, sagt Zukunftforscher Georges T. Roos. Mars habe das schon zu spüren bekommen.
taz: Herr Roos, immer neue Produkte, hergestellt mit immer neuen Technologien, kommen aus der ganzen Welt. Das überfordert viele Verbraucher schon heute. Wird sich das in Zukunft noch verstärken?
Georges T. Roos: Ich bin da ganz optimistisch und sehe positive Signale für eine wachsende Verbrauchermacht. Die moderne Technologie hilft den Menschen dabei sehr. Wenn heute die Funkverbindung an meinem Laptop nicht funktioniert, kann ich im Internet schnell rausfinden, dass andere Benutzer mit dem gleichen Chip auch Probleme haben. Das verschiebt nicht nur die Macht in Richtung Verbraucher. Durchs Web erfahren zudem auch Investoren schnell, dass es ein Problem gibt. Dann müssen die Unternehmen unverzüglich reagieren.
Das setzt einen gebildeten Verbraucher mit Internetzugang voraus. Kann das weltweit funktionieren?
Es sind tendenziell schon diejenigen mit besserer Bildung, die Veränderungen durchsetzen. Aber der Zugang zum Internet und damit die Möglichkeit zum Informationsaustausch werden sich ausbreiten. Für die Jungen ist das heute selbstverständlich, und auch die Älteren holen auf.
Aber wie viele Verbraucher interessieren sich überhaupt dafür? Ist die Zahl groß genug, um Einfluss auf die Hersteller zu haben?
Für die Anbieter ist nicht jeder Konsument gleich wichtig. Kritische Konsumenten sind eine kommunikative Macht, für die sich auch die Medien interessieren. Um etwas zu verändern, müssen nicht alle mitmachen; es langt, wenn die lautesten 25 Prozent aufmerksam sind. Ein Beispiel: In England wollte Mars die Rezeptur für einen Schokoriegel ändern und ein Kälbermagenenzym einsetzen. Das haben Vegetariergruppen mit Musterbriefen aus dem Internet und Massenanrufen zu Fall gebracht.
Erwarten Sie für die Zukunft eine stärkere Politisierung der Verbraucher?
Ich glaube, dass die Menschen schon sehr interessiert sind an gesellschaftlichen und ökologischen Fragen. Aber sie sind auch daran interessiert, was sie selbst für einen Nutzen davon haben. Die Frage ist nicht nur: Was ist gut und böse?, sondern auch: Was passt in meinen Lebensentwurf? Nachhaltigkeit muss Teil des Lebensentwurfs werden, der auch Spaß macht. Sonst wird es nicht funktionieren.
Brauchen diese aufgeklärten Verbraucher noch Unterstützung durch die Politik?
Auf jeden Fall: Die Rahmenbedingungen müssen von der Politik geschaffen werden. Zu den Spielregeln der Marktwirtschaft gehört, dass man weiß, was in einem Produkt drinsteckt. Heimlichtuerei hat für die Unternehmen keine Zukunft. Die Konsumenten werden immer mehr Offenheit fordern, und der Gesetzgeber wird sie unterstützen.
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