Verbraucherschutz für Kleinanleger : Beipackzettel für Aktienfonds

Kunden sollen besser informiert werden, sagt Ministerin Aigner und hat ein Infoblatt zusammengestellt. Aber auch das ist für wenig erfahrene Verbraucher schwer durchschaubar.

Kursgalopp an der Börse: Kleinanleger werden oft nur in Fußnoten auf die Risiken hingewiesen. Bild: dpa

Es ist eine DIN-A4-Seite, die CSU-Bundesverbraucherministerin Ilse Aigner vorgelegt hat, damit Bankkunden ihr Erspartes nicht mehr ahnungslos in wertlose Papiere investieren. Der Titel: "Produktinformationsblatt im Bereich Geldanlage". Die Idee: Bankberater füllen zehn Felder auf dem Papier aus, mit Kategorien wie "Produktbezeichnung", "Risiken", oder "Kosten". Die Wirkung: "Ein ganz großer Fortschritt für den Verbraucherschutz", sagt Aigner. Das schlichte Formular kommt auch sonst an.

Gerhard Schick ist der Finanzexperte der Grünen. Er meint: "Man muss prüfen, ob es sich in der Praxis bewährt", aber es sei "endlich ein Versuch, knapp Informationen über Geldanlagen" zu geben. Und Manfred Westphal, der den Fachbereich Finanzdienstleistungen des Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv) leitet, findet das Papier "schon ganz gut", weil es eine "Grundinfo für Anleger ist, die sich kurz und verständlich über die wesentlichen Produkteigenschaften informieren wollen".

Denn das sei bisher schwierig. "Über die Risiken werden sie teilweise erst in Fußnote 8 auf Seite 19 des Verkaufsprospekts und sehr verklausuliert informiert." Das war ein Grund, warum viele Kleinanleger in der Wirtschaftskrise Geld verloren, das sie in Lehman-Papiere oder Sparguthaben bei isländischen Banken gesteckt hatten.

Den Bankkunden war oft gar nicht klar, welche hochriskanten Produkte ihnen verkauft wurden. Sie stellten nicht viele Fragen. Und die Bankberater priesen ihre Zertifikate oder Immobilienfonds als sicher.

Bis zu 30 Milliarden Euro - so hat eine Studie im Auftrag des Bundesverbraucherministeriums ergeben - gehen den Bundesbürgern pro Jahr durch schlechte Finanzberatung verloren. Mancher versucht, sein Geld vor Gericht zurückzuholen. Doch die Klagen sind alles andere als Selbstläufer: Geschädigte müssen die Falschberatung anhand von Dokumenten beweisen.

Vom nächsten Jahr an müssen Bankberater Gespräche mit Kunden protokollieren und ihnen die Aufzeichnungen vor Vertragsabschluss unterschrieben aushändigen. Der Bundesrat hat Anfang Juli ein entsprechendes Gesetz gebilligt. Zudem wird die Verjährungsfrist für mögliche Klagen von drei auf zehn Jahre verlängert.

Aber ein Problem bleibt: Die Berater sind zumeist besser geschult als die Anleger. Wer weiß schon, wann ein Protokoll korrekt ausgefüllt ist, um Schadenersatzansprüche durchsetzen zu können? Und Finanzvermittler haben nach wie vor ein eigenes Interesse. Sie wollen Geld verdienen, indem sie die Papiere, Aktien, Zertifikate, Fonds unters Volk bringen.

Erst vor wenigen Wochen hat der Verbraucherzentrale Bundesverband zusammen mit der ZDF-"Wiso"-Redaktion den Test gemacht: Sie schickten Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, die sich etwa als 55-jährige Sekretärin ausgaben, in 25 Bankfilialen zum Beratungsgespräch. Danach urteilten die Verbraucherschützer: "Von 25 Beratern scheitern 24 schon im Ansatz". Nur einem der geprüften Experten sei es gelungen, den finanziellen Hintergrund der Kundin auszuleuchten und richtig zu beraten.

Ministerin Aigner hat mehrfach mit Vertretern der Finanzbranche gesprochen, seit sie im März eine "Qualitätsoffensive Verbraucherfinanzen" ins Leben rief. Jetzt kritisiert sie, dass "Bankmanager in Zeiten der Finanzmarktkrise eine Orientierung an den Verbraucherinteressen zugesagt hatten", dies aber nicht "ausreichend" einhalten.

Das Produktinformationsblatt soll nun helfen, "die wesentlichen Eigenschaften des Finanzprodukts schnell zu erfassen und verschiedene Finanzprodukte miteinander leichter zu vergleichen", sagt sie.

Auf die Internetseite ihres Ressorts hat Aigner zudem eine Checkliste gestellt, damit Kunden die richtigen Fragen an den Berater stellen. Die Finanzexperten der Stiftung Warentest empfehlen, sich die Liste vorzunehmen. Denn: Auch mit dem "an sich guten" Informationsblatt seien Finanzprodukte besonders "für wenig erfahrene Verbraucher schwer durchschaubar".

Es hilft auch denjenigen nicht, die ihr Geld nicht für die Rüstungsindustrie oder klimabelastende Ölfirmen arbeiten lassen wollen. Aigner sieht keinen Hinweis vor, ob ökologische und soziale Kriterien etwa bei einem Aktienfonds berücksichtigt werden.

Dazu kommt ein grundsätzliches Problem: Der Einsatz des Informationsblatts, der in der kommenden Woche beginnen soll, ist freiwillig. Bankberater müssen es nicht ausfüllen, wenn sie nicht wollen.

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