Verbraucherschutz bei Airlines: Schlichter für geschädigte Fluggäste

Die Airlines wollen eine gemeinsame Beschwerdestelle aufbauen. Ein Gesetz verpflichtet Flugunternehmen zu außergerichtlichen Schlichtungsverfahren.

Beim Warten zahlt sich der Hartschalenkoffer aus. Bild: imago/blickwinkel

Es ist einer von vielen Fällen, der Schlagzeilen machte. Erst mit fast 36 Stunden Verspätung konnten 260 Reisende, die ihren Winterurlaub auf Kuba verbrachten, zurück in die Heimat nach Frankfurt starten. Der Ferienflieger Condor begründete das mit dem Defekt der Maschine. Die Gäste mussten nach langer Wartezeit am Flughafen schließlich in Hotels übernachten

Nach der Rückkehr verlangten viele Reisende Entschädigung für die zusätzlichen Mühen. Bei Verspätungen ab drei Stunden und Entfernungen von mehr als 3.500 km sieht die EU-Fluggastrechte-Verordnung eine Ausgleichszahlung von 600 Euro vor – zusätzlich zum Anspruch auf Verpflegung, nötige Hotelübernachtungen sowie Taxi- und Telefonkosten. Voraussetzung ist, dass der Flug nicht wegen außergewöhnlicher Umstände wie schlechtem Wetter oder Streiks verspätet oder ausgefallen ist.

Willkürliche Einzelfallprüfung

Schlichtungsstelle für den öffentlichen Personenverkehr: Die SÖP ist unabhängig, schlichtet Streitfälle von Bahn-, Bus- und Schiffsreisenden und ist für die Kunden kostenlos. Seit dem Start vor drei Jahren haben rund 10.000 Reisende die Schlichtung beantragt. In rund 87 Prozent der Fälle wurde der Schlichtungsvorschlag von beiden Seiten angenommen. Fasanenstr. 81, 10623 Berlin, Tel. (0 30) 6 44 99 33-0,

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Luftfahrtbundesamt in Bonn: Beschwerden über Airlines kann man an das Bundesamt richten. Dort wurden voriges Jahr mehr als 5.200 Eingaben registriert. Bußgelder werden aber von der Behörde relativ selten verhängt. Die Branche betont, dass die Beschwerdequote angesichts von mehr als 200 Millionen Fluggästen pro Jahr sehr niedrig sei.

Geld bei Verspätung: Schon seit acht Jahren regelt die EU-Verordnung 261/2004, dass Passagiere sich bei gestrichenen oder überbuchten Flügen den Ticketpreis erstatten lassen oder einen Ersatzflug verlangen können. Bei Verspätungen ab drei Stunden gibt es als Ausgleich 250 Euro (Flüge bis 1.500 Kilometer), 400 Euro (bis 3.500 Kilometer) oder sogar 600 Euro (Langstrecken).

Kofferverlust, Falschinformationen und schlechter Service: Hier können unter bestimmten Bedingungen Ersatzansprüche geltend gemacht werden, die erst nach drei Jahren verjähren. Nur bei Flugplanstörungen wegen Naturkatastrophen, schlechtem Wetter und Streiks müssen Airlines von vornherein nicht zahlen.

Verärgerte Flugreisende: Wer teure teure Klagen scheut, kann sich auch an private Unternehmen wie EU-Claim, Fairplane oder Flightright wenden, die erfolgversprechende Fälle durchfechten. Dafür werden dann aber bis zu 30 Prozent Erfolgshonorar fällig. Falls es kein Geld gibt, muss der Kunde - anders als beim Anwalt - aber auch nichts zahlen.

Die Kuba-Reisenden erlebten trotz dieser klaren Regelung eine ganz unterschiedliche Behandlung. Teils zahlte Condor die volle Entschädigung, teils weniger, teils überhaupt nicht, obwohl alle in der gleichen Maschine gesessen haben. Das Unternehmen begründet das mit Einzelfallprüfungen. Für Kritiker ist der Fall eher ein Musterbeispiel, wie willkürlich manche Firmen ihre Kunden behandeln – und dabei darauf setzen, dass geprellte Reisende den teuren und mühsamen Weg zum Gericht scheuen, um ihre Rechte durchzusetzen.

Seit vielen Jahren beklagen Verbraucherschützer diese Missstände. Zumal eine unabhängige außergerichtliche Beschwerde- und Schlichtungsstelle für Flugreisende fehlt, die in anderen Branchen teils seit Jahrzehnten üblich ist. Bei Streitfällen mit Banken oder Versicherungen zum Beispiel können sich Kunden an Ombudsmänner wenden, die nach Prüfung und Anhörung des Unternehmens einen Einigungsvorschlag vorlegen.

Für den Verbraucher ist das Verfahren kostenlos – und anders als das Unternehmen ist der Kunde nicht verpflichtet, den Vorschlag des Schlichters anzunehmen. Der Klageweg steht dem Betroffenen weiter offen. Zwar gibt es solche neutralen Anlaufstellen auch für Reisende seit vielen Jahren, zum Beispiel die frühere Schlichtungsstelle Mobilität beim Verkehrsclub Deutschland, die von der Bundesregierung als Modellvorhaben unterstützt wurde. Doch Lufthansa, Air Berlin & Co verweigerten, anders als zum Beispiel die Deutsche Bahn, die Teilnahme und Mitfinanzierung.

Bundesregierung und Gesetzgeber duldeten dieses Verhalten lange. Zu lange, wie Kritiker meinen. Nach langem Hin und Her schafft ein neues Gesetz aber nun die Möglichkeit, dass auch verärgerte Fluggäste ihren Streitfall ohne Gerichtsprozess klären können. Sanfter Druck soll helfen, die Opposition hatte vergeblich strengere Regeln gefordert. Die Unternehmen werden künftig zwar nicht direkt zur Schlichtung gezwungen – aber jede Firma, die sich nicht an freiwilligen Verfahren beteiligt, soll sich mit ihren Kunden künftig vor einer staatlichen Beschwerdestelle beim Bundesamt für Justiz auseinandersetzen müssen.

Noch ist offen, wie viele Flugunternehmen sich an einer geplanten Branchenlösung beteiligen. Man wolle eine privatrechtlich organisierte Schlichtungsstelle aufbauen, heißt es beim Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft (BDL). Dort sollen die im BDL organisierten deutschen Airlines und die Unternehmen der Barig, des Verbands ausländischer Anbieter, ihre Beschwerdefälle klären lassen. Die gemeinsame Schlichtungsstelle solle „zu Beginn des nächsten Jahres an den Start gehen“. Es ist kein Geheimnis, dass die Branche diesen Schritt nur widerwillig geht und lieber an den bisherigen „Einzelfalllösungen“ festhalten würde, bei denen die Unternehmen am längeren Hebel sitzen. Offiziell betonen die Verbände jedoch nun, man habe die Einrichtung einer Schlichtungsstelle „aktiv unterstützt“.

Richtig ist: Die Lobbyvertreter haben im Gesetzgebungsverfahren ihren Einfluss geltend gemacht, um strengere Regeln zu verhindern. So betont der BDL, dass der Kunde den Sachverhalt auch weiterhin zunächst mit dem Unternehmen zu klären habe – und erst nach einer Frist von 60 Tagen die Schlichtungsstelle anrufen könne.

Branche verhindert zentrale Anlaufstelle

Auch die gesetzliche Vorgabe, dass es nur eine einheitliche Anlaufstelle für alle verärgerten Reisenden geben soll, hat die Branche verhindert. Mit der unabhängigen Schlichtungsstelle für den öffentlichen Personenverkehr (SÖP) in Berlin gibt es zwar bereits eine bewährte Institution, die für alle Bahn-, Bus- und Schiffsreisenden und mehr als 180 Unternehmen Streitfälle schlichtet. Doch ob sich die Airlines der SÖP anschließen, ist weiter offen.

Dabei liegen bei der SÖP bereits Tausende Beschwerden verärgerter Fluggäste auf Halde. Die Fluggesellschaften akzeptieren jedoch – anders als viele Schienenunternehmen – die SÖP und ihre Vorschläge bisher nicht. SÖP-Chef Heinz Klewe bleibt zuversichtlich, dass es zu einer gemeinsamen Lösung und einer einzigen Anlaufstelle kommt. Einen ersten Erfolg konnte er verbuchen. Ausgerechnet der Billigflieger Ryanair, der durch rüde Geschäftsmethoden in die Schlagzeilen geriet, hat sich im März als erste Airline der SÖP angeschlossen und akzeptiert die Schlichtungsvorschläge.

Der SÖP-Chef hofft, dass die anderen Airlines folgen und ebenfalls beim SÖP-Trägerverein mitmachen: „Das wäre für alle die beste und wirtschaftlichste Lösung.“

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