Verbraucherportal utopia.de: Wikipedia für ethischen Konsum
Das neue Internetportal Utopia.de will nach dem wiki-Prinzip Wissen über Umweltfreundlichkeit und Unternehmensethik von Produkten sammeln. Und so Druck machen.
Claudia Langer will die Welt verändern - mit Geld. Nicht nur mit ihrem eigenen: Die geballte Monetenmacht aller Konsumenten soll Unternehmen dazu bringen, ökologischer, ethischer - einfach besser zu produzieren. Langer hat dafür den Ausdruck "strategisch konsumieren" erfunden. Sie glaubt an die Revolution von unten.
Claudia Langer hat eine Internetplattform gegründet, Utopia.de. Denn mittlerweile gibt es zwar von der Socke bis zum Wattestäbchen alles im Gute-Gewissen-Modus. Die Marketingabteilungen haben aber so viele Labels auf den Markt geworfen, dass man vorm Klopapierregal vor lauter winkenden Bäumen und lachenden Fröschen nicht mehr weiß, welches Hygienepapier wirklich ökologisch ist.
Hier setzt das Portal an: Die Online-Gemeinschaft soll nach dem Wiki-Prinzip Produkte hinsichtlich Umweltfreundlichkeit, Unternehmensethik, Qualität und Preis-Leistungsverhältnis bewerten. Sie soll sich über fair produzierte Jeans austauschen und über schadstoffarme Matratzen diskutieren.
Auch Prominente beteiligen sich am Projekt: So klärt Sandra Maischberger in einem Film über ökologische Babykleidung auf. Damit die Sachen nicht nur ethisch einwandfrei sind, sondern auch noch chic aussehen, können die Nutzer der Seite auch Punkte in der Kategorie "Design" vergeben. "Öko ist kein Verzicht. Öko ist sexy!" heißt die Botschaft. Warum man allerdings auch die Optik von Essigreinigern und Ökostrom beurteilen soll, bleibt offen.
Ökoprodukte liegen im Trend, und weil die Bio-Öko-Fair-Trade-Konsumenten oft im besten Alter und in besten Lohngruppen sind, sind sie ein gefragtes Marketingziel. Claudia Langer kennt sich mit Zielgruppen aus. Die 42-Jährige war einst die Vorzeige-Powerfrau der Nation: Jung, willensstark und kreativ gründete sie aus dem Nichts eine erfolgreiche Werbeagentur, erfand lässige Sprüche für Burger King und Eon. Das hängt ihr jetzt nach. Langer hat sich zwar vor Jahren aus der Branche zurückgezogen. Dennoch liegt es für viele nahe, dass der Marketingprofi mit seinem Portal nur auf die Ökoschiene aufspringen will, um Geld zu machen.
Claudia Langer darauf anzusprechen ist so, wie den ersten Stein einer Dominoreihe anzustupsen. Dann sprudelt es aus ihre heraus. Sie erzählt von globalen Weichenstellungen, von Verantwortung, und dass sie damals in die Werbung gegangen sei, um nicht mehr über die Katastrophen der Welt nachdenken zu müssen. Aber damit sei es jetzt vorbei. Claudia Langer hat drei Kinder und das Klima wird wärmer. Zeit das Denken wieder anzufangen.
Das Portal ist jetzt seit zwölf Tagen online, 3200 Utopisten haben sich angemeldet. Bislang hält die Gemeinde allerdings ihr Ökofachwissen noch ziemlich hinterm Berg. Schokotafeln und Turnschuhe werden mit "super lecker", "super stylish" und "super bequem" beschrieben. Hintergrundinfos findet man auf der Seite trotzdem. Denn Utopia bekommt Unterstützung vom Freiburger Ökoinstitut. "So können wir Leute ansprechen, die wir sonst nicht erwischen", sagt Rainer Grießhammer, stellvertretender Geschäftsführer des Instituts. Die Kooperation mit den Umweltfachleuten ist wichtig. Denn die Utopia-Texte über Turnschuhe und Joghurts sind bislang in einem solchen Werbesprech formuliert ("Ein Traum aus Mango und Vanille"), dass die Seite an Authentizität verliert.
Dass das Portal bislang auf Unterstützung von Unternehmen angewiesen ist, sieht Langer nicht als Problem. "Wir haben uns die ganz genau angeguckt." Greenwashing von Firmen werde es nicht geben, versichert sie. "Damit wäre unsere Idee und ihre Glaubwürdigkeit verloren."
Glaubwürdig aber will Claudia Langer unbedingt sein. Eigentlich, sagt sie, wollte sie eine Stiftung gründen. Das Geldeintreiben habe sich aber als sehr mühselig herausgestellt. "Ich bin Unternehmerin wider Willen." Jetzt ist Utopia eine AG, die später eine Stiftung finanzieren soll. Langer sagt, sie wolle ein Social Entrepreneur sein: Ein bisschen Geld verdienen - eine Menge Gutes tun.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!