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Verbraucher gestehenDiffuses Bild von Bioprodukten

Bio? Ist super. Aber was ist es genau? Verbraucher verstehen darunter auch: gesund, tiergerecht und energiesparend - so eine neue Studie.

Super Bio-Kräuter! Äh, warum sind die nochmal so gut? Bild: dpa

DÜSSELDORF taz Viele Verbraucher wissen nicht, was "Bio" eigentlich konkret bedeutet - aber sie finden es gut. Das ist eins der Ergebnisse einer repräsentativen Studie, die die Prüfungs- und Beratungsgesellschaft Ernst & Young am Mittwoch in Düsseldorf vorstellte. Vor die Wahl gestellt, würden drei Viertel der bundesdeutschen Bevölkerung lieber zu einem Bioprodukt greifen. Und sie wären sogar bereit, mehr zu bezahlen - etwas wenigstens.

So gaben 78 Prozent der Befragten an, sie seien grundsätzlich einverstanden, für Biolebensmittel mehr Geld auszugeben. Immerhin 38 Prozent würden einen Aufschlag von mehr als 10 Prozent akzeptieren. Doch dann sinkt die Akzeptanz rapide: 20 Prozent mehr würden nur noch rund neun Prozent zahlen.

Ähnlich bei Fairtrade-Produkten: Bei Nachhaltigkeit und sozialer Verantwortung, so die Studie, "entsteht der Eindruck, als sehe der Verbraucher darin keine Mehrleistung, sondern eine Selbstverständlichkeit".

Gegenwärtig greifen nach eigenen Angaben allerdings nur 37 Prozent der Befragten häufig oder immer zu Bioprodukten. Gründe seien das limitierte Angebot sowie eine unzureichende Vorstellung darüber, was "Bio" heißt, sagte Peter Schommer, Partner bei Ernst & Young.

Das Bild der Verbraucher von Bio sei "ziemlich diffus": 81,9 Prozent der Befragten verbinden damit gesunde Ernährung, 69,9 Prozent artgerechte Tierhaltung und Artenschutz, 68,8 Prozent schonenden Anbau, 65 Prozent gute Nährwerte und 60 Prozent Umweltschutz. Mehr als jeder Dritte ging davon aus, dass bei der Herstellung von Bioprodukten auch noch Energie eingespart wird. Tatsache sei jedoch, dass Bio weder artgerechte Tierhaltung noch Umweltschutz zwingend vorschreibe.

Auch die Vielzahl von Biosiegeln trage zur Verwirrung bei. "In der Wahrnehmung vieler Verbraucher vermischen sich Begriffe wie Bio, Öko oder Fairtrade." Dazu passt, dass sich bisher noch keine einzige Marke als führende Biomarke durchsetzen konnte. Nur der Anbauverband Demeter schaffte es, von mehr als zehn Prozent der Befragten genannt zu werden.

Schommer: "Derzeit tun sich Produzenten und Händler noch schwer, das Image von Bioprodukten zu fördern und mit gezielter Werbung zu unterfüttern - oft bleibt es bei dem Hinweis der Zertifizierung auf dem Produkt." Damit würden große Chancen vertan.

Ein weiteres Ergebnis: Die Kunden wünschen sich den Bioladen in ihrer direkten Nachbarschaft. "Bio wird sich auf breiter Front nur durchsetzen, wenn es den Händlern gelingt, ein flächendeckendes Filialnetz aufzubauen", so Schommer. Gleichwohl sei "gut vorstellbar, dass der Marktanteil von Bio- und Fairtrade-Produkten mittelfristig von derzeit unter 10 Prozent auf 30 Prozent steigt". Allerdings nur, wenn das Vertrauen in Bioprodukte nicht enttäuscht werde. So erwarteten etwa 90 Prozent der Befragten vom Handel und von den Produzenten eine Garantie, dass die Waren tatsächlich ökologisch, ethisch korrekt und nachhaltig produziert wurden

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5 Kommentare

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  • A
    Antonietta

    Welches Fleisch das Etikett "Bio" oder "Öko" tragen darf, ist in einer EU-Verordnung klar geregelt. Diese besagt, daß z.B. das Rind einen garantierten Platz im Stall von etwa 5 Quadratmetern und Zugang ins Freie haben muß, sowie hofeigenes Grünfutter erhält. Demeter-Bauern z.B. dürfen ihren Tieren nur zertifiziertes Öko-Futter geben. Antibiotika werden nur verabreicht, wenn die Tiere krank sind.

     

    Wenn z.B. Schweine ihren Bedürfnissen entsprechend gehalten werden, treten keine Verhaltenstörungen wie Kannibalismus, Stangenbeißen oder Trauern auf. Manipulationen am Tier, wie das Abkneifen der Zähne oder das Kupieren der Schwänze, sind überflüssig, da sich die Tiere mit der Einstreu beschäftigen können und nicht ersatzweise auf andere Schweine in der Bucht "ausweichen" müssen. Die Tiere sind weniger krankheitsanfällig, da sie weniger gestreßt sind. Zudem wird durch den Aufenthalt im Freien ihre Widerstandskraft gegen Krankheitserreger gestärkt. Auslauf wirkt sich weiterhin positiv auf die Kreislaufstabilität aus: Die prophylaktische Zugabe von Medikamenten wie Antibiotika entfällt. Aufgrund der größeren Bewegungsmöglichkeit treten kaum Beinschäden auf. Verluste durch Erdrücken der Neugeborenen sind nicht höher als bei fixierten Tieren.

  • EP
    Elisabeth Petras

    Nach unseren Erfahrungen ist "Bio" oder "Öko" zwar keine Garantie für eine artgerechte Tierhaltung, doch besonders dort, wo die Verbände (Bioland, Demeter) selbst kontrollieren, haben es die Tiere besser, als in industriellen Haltungssystemen. Doch der normalverbraucher hat zumeist gar keine Vorstellung vom Ausmaß des durch seien Konsum verursachten Tierleides. Lungenschäden bei Schweinen, die sehr empfindliche Atemwegsorgane haben, gehören in der konventionellen Haltung zum Standard -doch es gibt sei auch in Bio-Haltungen. Bei Geflügel sind auch im Biobereich herden bis zu 3.000 Legehennen erlaubt - nur ein Teil davon findet so überhaupt den Ausgang...

     

    Dennoch werden heir nicht die Ausmaße der Tierquälerei erreicht, die im konventionellen Bereich vorherrscht. Ca 75% Fußentzündungen bei Puten, Herz-Kreislauferkrankungen schon bei den Küken namens "Hähnchen", die auch weiblich sind, bei Legehennen ca 40% der Tiere mit gebrochenen Knochen am Schlachthof - DAS bleibt den Tieren erspart. Was tun? WEniger davon essen. Und vielleicht mal gucken, wie es denn aussieht - auf "unserem" Bio-Bauernhof. Nur so kann Vertrauen wachsen - und die Motivation, für wirklich artgerechte Tierhaltung auch mehr auszugeben, denn der Bauer braucht das Geld! (So kann auch der Aufschlag des Handels gespart werden).

  • MD
    Michael Demus

    Sehr interessante Debatte. Mich beschäftigt das Image von "öko" und "bio" schon länger, da ich vermute, dass die - inzwischen offenbar überwundenen - Startschwierigkeiten der Öko-Branche nicht zuletzt von einem negativen Image beim Konsumenten verursacht wurden.

    Öko ist nach wie vor ein Schimpfwort auf den Schulhöfen (dort sicher auch nicht immer und überall, aber ist definitiv geprägt).

     

    Diese Dilemma beleuchtet übrigens eine öffentliche Podiumsdiskussion am 06.12.07 in der Uni Hannover (Hauptgebäude, 18.00h).

  • DS
    Dr. Schneider

    In der biologischen Landwirtschaft wird natürlich weniger Energie verbraucht als in der konventionellen Landwirtschaft. Es dürfen zB. keine mineralischen Dünger verwendet werden. Um Stickstoffdünger herzustellen (wird aus Luftstickstoff gewonnen) werden große Mengen Gas benötigt. Das ist ein sehr energieintensiver Prozess. Auch P- und K-Dünger müssen aufwendig im Bergbau gewonnen werden. Bei Pflanzenschutzmitteln die ebenfalls bis auf wenige Ausnahmen nicht eingesetzt werden dürfen sieht es ähnlich aus. Lange Transportwege für Pflanzenschutzmittel, Dünger und Futtermittel (müssen ortsnah produziert werden) entfallen. Dadurch wird wieder weniger Diesel und Benzin verbraucht.

  • SJ
    Spritzendorfer Josef

    Diese Aussagen decken sich komplett mit unseren Erfahrungen aus dem Bereich nachhaltiges, wohngesundes (auch allergikergerechtes) Bauen. Auch hier gibt es einen großen Bedarf des Konsumenten nach glaubwürdiger Kennzeichnung. Aus der Fülle von Siegeln und Gütezeichen im Bereich Baustoffe können wir uns (Sentinel-Haus Institut Freiburg) bei Projekten aber ausschließlich auf natureplus verlassen (www.natureplus.org) - ein internationales - unter anderem von Umweltverbänden getragenes Qualitätszertifikat mit transparenten Kriterien und einem indsutrie- unabhängigen Vergabesystem.