: Verbrannte Schmetterlinge
■ Leicht tendenziöse Zusammenstellung arabischer Lyrik seit 1945: Khalid al-Maaly liest in der Zentralbibliothek aus seiner Anthologie Zwischen Zauber und Zeichen
Politische Arbeit muss betrieben werden. Öffentlichkeit gehört hergestellt bezüglich der Leiden jener Völker, die jenen in die Hände gegeben sind, die nach Gutdünken über Macht und Ressourcen verfügen. Doch die Balance ist schwer zu finden zwischen besserwisserischem Reden aus der Ferne und dem nötigen Maß an Einmischung, und deshalb ist es nur folgerichtig, Betroffene zu Wort kommen zu lassen und sich etwa vor Augen zu führen, wie viele liberale arabische Literaturzeitschriften seit den 70er Jahren verboten sind.
Sinnvoll erscheint daher auf den ersten Blick der Ansatz des irakischen Übersetzers Khalid al-Maaly, eine Anthologie moderner arabischer Lyrik herauszugeben, die jetzt zweisprachig in der Zentralbibliothek vorgestellt wird.
Zwischen Zauber und Zeichen lautet der Titel des Buches, genau 100 Dichter hat Al-Maaly darin versammelt. Doch was sich so poetisch anließ, gestaltet sich zunehmend irritierend: Eine repräsentative Textsammlung verspricht der Herausgeber in seinem Vorwort, erwähnt aber gleich, dass er „aus einigen Ländern wie Mauretanien und Somalia leider keinen einzigen Dichter“ habe aufnehmen können. Stattdessen bedauert er, dass aus Irak, Libanon und Syrien „etliche Namen“ weggefallen seien – eine bizarre Gewichtung angesichts der Tatsache, dass 50 Prozent der im Buch versammelten Dichter aus diesen drei Ländern stammen.
Unverständlich ist für nicht in der arabischen Exilierten-Szene Kundige auch der Hass, den Al-Maaly in seiner Einleitung auf „Experten“ versprüht, die „einfache, anspruchslose Texte“ für ihre Anthologien gewählt hätten; schließlich behauptet er, „Widersprüchlichkeit, Mangel an Glaubwürdigkeit oder gar Käuflichkeit“ seien „charakteristisch“für die arabische Kultur. Da keimt dann im Leser allmählich der Verdacht, dass die „Anthologie“ ein adrettes Vehikel politischer Grabenkämpfe sein könnte. Denn allzu auffällig ist die Häufung von Dichtern aus dem Irak, der Heimat des Herausgebers.
Zudem ist die Qualität der Texte keineswegs durchweg erlesen. „Ich zog meine alten Schuhe und mein Gesicht aus“, schreibt etwa der Syrer Mohammed Umran, verrennt sich aber gleich darauf in heikle Bilder wie das von der „herzlichen Tür“, die das Lyrische Ich „umarmt“. Auch grammatikalische Fehler finden sich in Versen wie „Seine Räder sponnen Hoffnung, wegen der ich den Tag erwartete“, in einem Gedicht der Irakerin Nazik al-Mala'ika. Eindringlich gestalten sich dagegen Abdul Wahhab al-Bayyatis Zeilen „Aus der Tiefe rufe ich zu dir / vertrocknet ist meine Zunge, verbannt / auf deinem Mund sind meine Schmetterlinge.“ Den zweisprachig Vortragenden – die deutschen Texte liest der Schauspieler Wolfgang Kaven – in der Zentralbibliothek wird das Wort im Mund wohl nicht vertrocknen. Vielleicht aber wird den Zuhörern bei Lektüre des merkwürdig zusammengestellten Buches das Wohlwollen ein bisschen versiegen... Judith Mronk
Khalid Al-Maaly: Zwischen Zauber und Zeichen. Verlag DAs arabische Buch, Berlin, 49,80 Mark.
Lesung Dienstag, 20 Uhr, Zentralbilbliothek, Große Bleichen 25
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen