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Verbotene WerbeanrufeArbeitsagentur vermittelt illegale Jobs

Die Regierung will Werbeanrufe verbieten. Dabei suchen die Anbieter über die Bundesagentur nach Mitarbeitern.

Über 50 Stellenangebote für illegale Telefonwerbung finden sich auf der Jobbörse. Bild: dpa

BERLIN taz Das Telefon klingelt, eine freundliche Stimme preist ein besonderes Lotto-Angebot an und bittet um die Bankverbindung. Ein solcher Kundenfang nervt nicht nur, er ist eigentlich längst verboten. Seit Monaten bemüht sich die Politik darum, dieses Verbot besser durchzusetzen. Ausgerechnet die Bundesagentur für Arbeit kommt ihr in die Quere: Sie vermittelt illegale Jobs für Glücksspiel-Werbung am Telefon.

In ihrer Jobbörse finden sich mehr als 50 Inserate mit entsprechender Stellenbeschreibung. "Wünschenswert sind Erfahrungen im Bereich der Telefonakquise (Cold Call)", heißt es in einem dieser Angebote etwa, in anderen ist die Rede von "Kaltakquise von Geschäftskunden" oder "In- und Outboundtelefonie im Bereich SKL/NKL-Lose". "Offen gesetzeswidrig", urteilt FDP-Politikerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger. "Sofortige Aufklärung" fordert Schleswig-Holsteins Datenschutzbeauftragter Thilo Weichert.

Telefonische Lottowerbung ohne Einverständnis der Verbraucher, auch Cold-Calls genannt, sind nach dem Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb und dem seit Januar 2008 gültigen Glücksspielstaatsvertrag verboten. Das müsste eigentlich auch der Mannschaft bei der Bundesagentur bekannt sein, die, wie ein Sprecher der taz sagte, "mehrmals täglich sowie am Wochenende Überprüfungen" der Jobbörsen-Inserate vornähme. Täglich würden derzeit durchschinittlich 16.221 neue und aktualisierte Stellenangebote eingestellt, und eigentlich habe man daher die Maßnahmen zur Qualitätssicherung intensiviert. Und jetzt? "Wir gehen natürlich jedem Hinweis auf Betrüger nach", betonte der Sprecher.

Besonders ärgerlich ist für das Amt in Nürnberg die zeitliche Überschneidung mit dem jüngsten Bankdaten-Skandal. Am Montag war Kieler Verbraucherschützern eine CD der Viersener Firma MV Consulting mit rund 17.000 Adressdaten und Kontoverbindungen zugespielt worden. Seitdem prüft die Staatsanwaltschaft Mönchengladbach, ob es einen Zusammenhang gibt mit dem rasanten Anstieg von Verbraucherbeschwerden über Lotto-Call-Center und deren unautorisierten Abbuchungen nach Werbeanrufen.

Und solche Firmen dürfen auf der Nürnberger Jobbörse inserieren? Politiker und Verbraucherschützer sind entsetzt. "Es ist überhaupt nicht nachvollziehbar, dass auf den Seiten der Bundesagentur Stellen zu finden sind, deren Arbeitsplatzbeschreibung offen gesetzeswidrig ist", sagte die FDP-Politikerin Leutheusser-Schnarrenberger der taz. "Die Bundesagentur wird sich nicht auf den Standpunkt zurückziehen können, sie besitze keine Verantwortung für die bereitgestellten Inhalte." Seit Monaten bemühe sich die Politik, die "Landplage unerlaubter Telefonanrufe einzudämmen". Ausgerechnet ein Bundesamt fahre ihr jetzt in die Parade.

"Wir verlangen Aufklärung der Angebote", sagt die Vorsitzende des Verbraucherausschusses im Bundestag, Ulrike Höfken von den Grünen. "Auch darüber, inweit Hartz-IV-Empfänger verpflichtet sein könnten, diese Jobs anzunehmen." Schleswig-Holsteins Datenschutzbeauftragter Thilo Weichert forderte ebenfalls Konsequenzen. "Die Bundesagentur muss das sofort prüfen", sagt er. "Es spricht vieles dafür, dass hier unzulässige Tätigkeiten vermittelt werden." Wenn sich der Verdacht bestätigte, müssten die Angebote "sofort rausgenommen werden".

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4 Kommentare

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  • L
    Line

    Nicht nur illegale Jobs werden vermittelt,..., es gibt auch illegale Ausschreibungen.

     

    Bin gerade auf Ausbildungssuche und bin zufällig auf eine Stellenausschreibung auf der Internetseite der Agentur für Arbeit gestoßen, welches eindeutig gegen das Gleichstellungsgesetz verstößt. Bei der Ausschreibung handelt es sich um eine Ausbildung im Einzelhandel und im Anforderungsbereich steht unter dem Punkt "Sonstiges": Geschlecht: männlich

     

    Es gibt in diesem Fall keinen Grund, warum es für den Arbeitgeber möglich sein könnte keine Frau einzustellen,...

     

    Die Agentur für Arbeit interessiert sich dafür nicht, zumindest wenn ein "kleines", unwichtiges "Mädchen" so Etwas anprangert.

     

    Wenn interesse besteht und es erlaubt ist setze ich auch gerne den Link zu dem Inserat hier ein.

     

    Gruß Line

  • A
    a1ns

    Den Beitrag der taz sollte die Politik endlich einmal zum Anlass nehmen das System der Vermittlung von Arbeitsplatzsuchenden umfassend und gründlich zu reformieren und natürlich auch um die Online-Jobbörse der Bundesagentur für Arbeit zu überarbeiten. Vor allem sollten die Volksvertreter endlich mal mit deren Scheinheiligkeit aufhören, weil sich ja auch keiner darüber beschwert wenn Firmen die keinen Mindestlohn zahlen auf der Online-Jobbörse der Bundesagentur für Arbeit ihre Stellen inserieren.

  • HW
    Herbert Wolters

    So ein alter Hut. Die Leser und Mitglieder von Antispam e.V. haben dies schon vor Tagen herausgefunden und mit der Arbeitsagentur diesbezüglich korrespondiert. Die verblüffenden echten Antworten der Agentur sind auch unter im Forum www.antispam.de zu lesen. Manchmal ist es besser, die (noch) unbekannteren und zu Unrecht unbeachteten Präsenzen zu lesen. Dort sind die ehrlicheren Einstellungen der Bundesagentur zu lesen. Hier gibt es nur politische und politisch korrekte Statements. So eine Scheinheiligkeit.

  • X
    x-berg

    Das ist doch nicht neues! Das habe ich schon selbst erfahren dürfen. Nicht nur, das solche Stellen dort angeboten werden, nein ,Sie werden auch indirekt durch die Agentur für Arbeit gefördert, sollen doch Bewerber Fördergutscheine vom Arbeitsamt mitbringen. Damit Sie Geld kassieren können, müssen Bewerber mindestens 6 Monate dort arbeiten, danach heisst es das es eine Projektarbeit war und von vornherein befristet. Dann wird man gekündigt, fristgerecht. Wenn man sich den mikrigen Lohn ausrechnet + die Förderung vom Arbeitsamt, machen die Callcenter Gewinne, subventionierte Gewinne wohlgemerkt.

    Angenommener Arbeitslohn Brutto: 7 Euro/h

    Bezahlte Subventionierung Für 6 Monate 2.000 und mehr..

    Da lohnt sich kein Callcenter mehr in Indien! Die Arbeitsämter wissen längst über den Missbrach bescheit, aber "die Statistik" zählt eben auch. Also erst mal das Maul halten und hoffen keiner merkt´s. Eure Redakteuere könnten auch mal besser recherchieren.