Verbotene Demonstration: Dortmunds Neonazis tauchen ab
Nach dem Verbot ihrer Großkundgebung ist von Dortmunds aggressiver Neonazi-Szene nichts zu sehen. Demonstriert wurde stattdessen gegen Faschismus.
DORTMUND taz | Trotz höchstrichterlichen Verbots einer Neonazi-Großkundgebung haben mehr als 1.500 Menschen in Dortmund am Samstag gegen Rechtsextremismus und Rassismus demonstriert. Mit Protestzügen, Gedenkveranstaltungen und einem Friedensfest wandten sie sich gegen Versuche der Rechtsextremen, Dortmund zu einem Zentrum der Neonazi-Szene in Westdeutschland zu machen.
In den acht Jahren zuvor hatten die Rechtsextremen bundesweit für ihre Kundgebung mobilisiert. Instrumentalisiert werden sollte so der 1. September als Antikriegstag und Jahrestag des Überfalls Deutschlands auf Polen. Rund 1.000 Neonazis zogen dann ausgerechnet durch die multikulturell geprägte Dortmunder Nordstadt und skandierten fremdenfeindliche Parolen.
In diesem Jahr aber hatte das Bundesverfassungsgericht den Aufmarsch untersagt: Der Anmelder war Mitglied der zuvor von NRW-Innenminister Ralf Jäger verbotenen Neonazi-Organisation „Nationaler Widerstand Dortmund“ (NW Do).
Vor dem einstigen Gestapo-Gefängnis Steinwache – heute eine Gedenkstätte – warnte Dortmunds DGB-Chefin Jutta Reiter, auch nach dem Verbot müssten die Rechtsextremen „wachsam“ beobachtet werden: 2009 hatten Rechtsextreme die Maikundgebung des DGB überfallen. Oberbürgermeister Ullrich Sierau (SPD) räumte ein, dass die Neonazi-Szene „vielleicht“ nicht frühzeitig und konsequent bekämpft worden sei.
Buhrufe für den Bürgermeister
Trotzdem kritisierte Sierau AktivistInnen der Antifa: Deren „Reisekadern“ unterstellte der Oberbürgermeister indirekt Gewaltbereitschaft – und erntete laute Buhrufe und Pfiffe: Die rund 900 zumeist jungen Teilnehmer der zwei Antifa-Demos stellten den Großteil der Demonstranten gegen rechts. „Von Gewalt von Seiten der Antifa habe ich nichts gesehen oder gehört“, stellt Fatih Ece, Sprecher des von der Gewerkschaftsjugend ins Leben gerufenen Bündnisses „Dortmund nazifrei“, klar.
Von den Neonazis selbst war am Samstag nichts zu sehen: Die saßen in ihren WGs im Stadtteil Dorstfeld und wurden dort scharf von der Polizei überwacht, die jeden geschlossenen Auftritt als verbotene Demonstration gewertet hätte. Trotzdem versuchen die Rechtsextremen, sich neu zu organisieren: Nach taz-Informationen sind einige nach dem Verbot ihrer „freien Kameradschaft“ bereits in die NPD eingetreten.
Und ihr Anführer Dennis Giemsch dürfte nach dem Verbot des NW Do auch finanziell am Ende sein: Sämtliches Propagandamaterial, das er über seinen „Resistore“-Versand verschickte, ist jetzt im Besitz des Landes NRW.
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