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Verbindungsspiele in der LinksparteiWer mit wem?

Nach dem Rücktritt von Gesine Lötzsch vom Linkspartei-Vorsitz warten alle auf ein Wort von Oskar Lafontaine. Doch der ist im Urlaub. Zeit für Gerüchte.

Wer nimmt hier Platz? Bild: dapd

BERLIN taz | „Nur wenige waren eingeweiht. Dann kam der Paukenschlag. Oskar Lafontaine entschied sich für den Königsmord: Ich kandidiere. Eine Stunde später das Ergebnis: die satte Mehrheit. Jetzt jubelten die Genossen. Endlich hatten sie sich aus der Agonie geschlagen.“

Diese Zeilen standen am 17. November 1995 in der taz. Tags zuvor war der Sozialdemokrat Oskar Lafontaine überraschend zum Vorsitzenden seiner Partei, der SPD, gewählt worden: 321 Delegierte stimmten in Mannheim für ihn, nur 190 für den Amtsinhaber Rudolf Scharping.

Am 11. April 2012, dem Tag nach Gesine Lötzschs überraschendem Rücktritt vom Linkspartei-Vorsitz, richten sich erneut alle Blicke auf Oskar Lafontaine. Halb ängstlich, halb freudig warten das Parteivolk sowie die interessierte Öffentlichkeit auf eine Einlassung des Genossen von der Saar. Der gehört heute der Linkspartei an, bis vor zwei Jahren war er sogar ihr Vorsitzender. Wegen einer Krebserkrankung zog er sich 2009 zurück.

Was kommt

Auf dem Parteitag in Göttingen am 2. und 3. Juni sollen die beiden neuen Vorsitzenden gekürt werden. Bis dahin soll Klaus Ernst die Partei allein führen. Laut Parteisatzung muss die Doppelspitze mit je einem Mann und einer Frau besetzt werden. Ein Proporz nach Ost und West ist gewünscht, aber nicht gefordert.

***

Schleswig-Holstein-Wahl

Wahltermin: 6. Mai

Spitzenkandidat: Antje Janssen

Landtag: 6 Prozent

Prognose: 4 Prozent

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Nordrhein-Westfalen-Wahl

Wahltermin: 13. Mai

Spitzendkandidatin: Katharina Schwabedissen

Landtag: 5,6 Prozent

Prognose: 3 Prozent

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Bundestagswahl

Wahltermin: Herbst 2013

Bundestag: 11,9 Prozent

Prognose: 7 Prozent

Quelle: infratest dimap (sny)

Will er das Amt erneut antreten? In der Partei heißt es: Der Oskar muss nur wollen. Der Oskar aber ist im Urlaub.

Die Partei hat andere Sorgen

Vermutlich müsste er nicht einmal mehr eine solch mitreißende Rede wie 1995 halten. Er könnte beim Bundesparteitag Anfang Juni in Göttingen an ein Saalmikrofon treten, seinen Namen nennen und sagen, dass er für den Parteivorsitz kandidiert. Das würde reichen. Die Linkspartei ist folgsam geworden. Sie hat andere Sorgen. Bei den anstehenden Landtagswahlen in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen muss sie befürchten, die Fünfprozenthürde zu reißen. Und wären an diesem Sonntag Bundestagswahlen, würden gerade mal 7 Prozent der Wählerinnen und Wähler der Partei Die Linke ihre Stimme geben. 2009 waren es noch 12 Prozent

Da kommt so eine erneut aufflammende Führungsdebatte zur Unzeit. Auch ohne Gesine Lötzschs Rücktritt ist es vertrackt genug. Neben Lötzsch, die schon ihre erneute Kandidatur unabgesprochen direkt nach dem Erfurter Programmparteitag im Oktober 2011 bekannt gegeben hatte, hat auch Dietmar Bartsch vor Monaten seinen Hut in den Ring geworfen. Danach ging das Politschach erst richtig los. Denn laut den Parteistatuten muss einer Doppelspitze mindestens eine Frau angehören. Alles andere – der Ost-West-Proporz, die Reformer-Fundi-Quote – ist Kür, nicht Pflicht, gehört aber zum Selbstverständnis der Partei.

Nun, nachdem sich also die Kandidatin Gesine Lötzsch zurückgezogen hat, um sich um ihren kranken Ehemann zu kümmern, werden die Reihen hektisch nach einer Führungsfrau abgesucht.

Die am häufigsten genannte Kandidatin ist Sahra Wagenknecht. Die 42-Jährige ist vor wenigen Monaten zu einer der zwei Ersten stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden aufgestiegen. Sie ist klug, prominent und, seit sie sich als Wortführerin der Kommunistischen Plattform zurückgezogen hat, konsensfähig. Zudem liegt ihr Wahlkreis in Düsseldorf; die gebürtige Jenenserin würde also sogar als Westlerin durchgehen.

Lafontaine und Wagenknecht?

Nun ist es aber auch so, dass Sahra Wagenknecht und Oskar Lafontaine seit Anfang dieses Jahres offiziell ein Paar sind. Die beiden als Führungsduo? Eine abwegige Vorstellung, will die Partei den Ruch von Familienbetrieb samt Erbfolge vermeiden. Abgesehen davon, dass Sahra Wagenknecht mehrfach erklärt hat, sie sei am Vorsitz nicht interessiert, könnte sie ihren derzeitigen Urlaub zum Nachdenken nutzen. Parteiintern gilt, dass erst nach der NRW-Wahl am 13. Mai darüber zu reden sein wird. So lange führt Klaus Ernst allein die Geschäfte.

Ebenfalls als mögliche Kandidatin wird die stellvertretende Parteivorsitzende Katja Kipping gehandelt. Die 34-jährige Dresdnerin hat im Herbst ein Kind bekommen und arbeitet sich nach dem Mutterschutz gerade erst wieder in den Berliner Politikbetrieb ein. Zudem fehlt es ihr wohl an Rückhalt in der Fraktion.

Außerdem werden die Namen der 30 Jahre alten Abgeordneten Janine Wissler aus Hessen genannt sowie der von Dagmar Enkelmann. Die 56 Jahre alte Parlamentarische Geschäftsführerin aus Brandenburg versieht ihre Arbeit äußerst versiert. Als einstige Vizevorsitzende der PDS brächte sie Führungserfahrung mit.

Mit ihrem überraschenden Rückzug sorgt Gesine Lötzsch mithin dafür, dass in den Medien nun überall Namen hochploppen. Aber aus Parteikreisen dringt kaum etwas an die Öffentlichkeit. Jeder, der Namen nennt, kriegt eins auf den Deckel, lautet die Ansage. Dietmar Bartsch, der Reformer-Kandidat aus dem Osten, sagt der taz lediglich: „Wir brauchen in Göttingen einen neuen Aufbruch. Wer kandidieren möchte, soll seine inhaltlichen Angebote unterbreiten.“

Hoffen auf ein Wunder

Nur einer meldet sich zu Wort. Bodo Ramelow, meinungsstarker Fraktionschef in Thüringen, hofft öffentlich auf eine Rückkehr Oskar Lafontaines. Jedoch nicht als Parteivorsitzender, sondern gemeinsam mit Gregor Gysi als Spitzenkandidat zur Bundestagswahl 2013. Sein Wunsch fürs Karl-Liebknecht-Haus steht auch schon fest: „Die Idealkombination für den Parteivorsitz wäre für mich Wagenknecht und Dietmar Bartsch“.

Doch auch Ramelow weiß, dass alle auf ein klärendes Wort des heimlichen Vorsitzenden hoffen. Er warte „mit Respekt“ ab, wie sich Lafontaine nach der NRW-Wahl entscheidet.

Bis dahin sind es aber noch viereinhalb Wochen. Kann sich die Linkspartei in ihrem derzeitigen Zustand so viel Unsicherheit in der Führungsfrage leisten? Vielleicht hilft es Oskar Lafontaine, wenn er einen Blick in sein Redemanuskript vom SPD-Parteitag 1995 wirft. „Es gibt noch Politikentwürfe“, rief er damals seinen Genossen zu, „für die wir uns begeistern können. Wenn wir selbst begeistert sind, können wir auch andere begeistern!“ Gut möglich, dass die Linke auf die Wiederauflage des Wunders von Mannheim hofft.

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5 Kommentare

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  • Z
    zulu

    Grundsätzlich kann man zunächst mal gar keinem Politiker irgendwas glauben, dass schließt auch Frau Kipping mit ein. Sie erzählen Dir immer was Du hören willst, im Rahmen des jeweiligen Parteiprogramms oder darüber hinaus. Die einzige Wahrheit liegt in den Abstimmungen. Man muss sich ansehen wofür oder wogegen sie stimmen. Dazu ist es praktisch, sich zu merken, was sie für Standpunkte vertreten haben. Natürlich haben die wenigsten Wähler die Zeit dazu. Das nutzen die Politker schamlos aus.

  • B
    Babs

    Die sind schön dumm, wenn sie es jemandem wie Katja Kipping an Rückhalt fehlen lassen. Die Frau ist nicht nur in der Linken sondern überhaupt unter den derzeit aktiven PolitikerInnen das Glaubwürdigste, was überhaupt rumläuft.

     

    Wahrscheinlich ist es genau das, was ihren Kollegen suspekt ist.

     

    Andererseits schätzen die Kollegen das Wahlvolk dabei wahrscheinlich genau richtig ein. Wenn das Wert auf inhaltliche Glaubwürdigkeit legen, wäre Merkels Erfolg schließlich nicht erklärbar.

     

    So gesehen... wohl doch nicht so blöd...

  • O
    otto

    "Nach dem Rücktritt von Gesine Lötzsch vom Linkspartei-Vorsitz warten alle auf ein Wort von Oskar Lafontaine."

     

    Echt alle? Also ich schon mal nicht, da ohnehin klar ist, dass er sich beizeiten erklären wird. Frau Wagenknecht wird wohl auch im Bilde sein. Wenn er will, wird er es zurecht wohl auch werden. Eine großartige Führungsdebatte ist bei der LINKEN gerade nicht erkennbar. Mal abgesehen vom unvermeidlichen Bodo ist man erstaunlich diszipliniert. Die Berichte in den Medien zeugen mehr von einem Flehen um einen neuen Anlass, die LINKE wieder mit Dreck zu bewerfen. Anders als z.B. in Deppendorfs Woche behauptet, ist die Partei keineswegs führungslos, denn Ernst ist ja noch da.

    Dieses Schielen der Medien nach einem Häuptling, der alles richten möge ist zudem ziemlich hinterwäldlerisch und paternalistisch. Es wird Zeit, mal im 21ten Jahrundert anzukommen mit der Birne.

    Naja, den Untertanen soll halt eingehämmert werden, dass Organisationen Hierarchien brauchen, dabei brauchen nur Herrschende Hierarchien.

    Selbst wenn die LINKE für eine Weile "führungslos" wäre, würde der Laden trotzdem weiterlaufen. Frau Lötzsch und Herr Ernst haben übrigens, trotz all des Schwachsinns, der über sie verbreitet wurde, einen respektablen Job gemacht. Lötzsch kann ja z.B. nichts dafür, dass das Wort "Kommunismus" in Deutschland für ideologisch verblendete Irre, Menschen die Kapitalinteressen vertreten und manche Ungebildete wie ein pawlowsches Glöckchen wirkt, dass den Schaum vor die Lefzen treibt, während man die unfassbaren Verbrechen, die im realexistierenden Kapitalismus geschehen, unter den Teppich kehrt, runterspielt oder personalisiert. Unter Führung der beiden wurde ein Parteiprogramm verabschiedet, und dabei hat sich die Partei, anders als in der Vorberichterstattung prophezeit, nicht zerlegt.

  • M
    Matze38

    wieder schön zu sehen, wie die medien allen voran die öffentlich rechtlichen eine personaldiskussion herbeireden, um damit zu seggurieren, das die partei sich nur um personal und nicht um die menschen kümmert.

    das sich mitglieder auf anfrage von journalisten äußern ist doch logisch, aber deswegen macht die partei daraus nicht gleich eine übergeordente diskussion.

  • A
    Allendorf

    Löblich das Frau Lötsch wegen Ihres kranken Ehemann zurücktritt. Frau Lötsch, die aber auch mit der Partei verheiratet ist, wollte die Verfallserscheinung ihrer Partei nicht wahrhaben für die Sie nicht nur die formale Verantwortung trug, sondern beispielsweise durch die öffentliche Diskussion mit einer Hardliner-Terroristin und unnötiger Kommunismußdebatte , fragwürdigen Kubaglückwünschen, sondern auch aktiv an der Fertigung eines bedeutsamen Sargnagels der Partei mitwirkte. Der Rücktritt könnte ein Signal zur Neuorientierung sein. Allein es fehlt der Glauben daran. Zeigte sich doch in der Vergangenheit der übrige Partei- und Fraktionsvorstand in der Rolle eines Vertuschungsvereins zum Machterhalt! Da sollten doch noch einige Genossen mehr an die kränkelnde Familie denken und endlich die Stühle räumen.