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Verbindungen des Nazi-TerrortriosDer Staat, der Terror und die Partei

Die mutmaßliche Neonazi-Terroristin Beate Zschäpe soll 2004 an einer NPD-Weihnachtsfeier teilgenommen haben. Auch andere Spuren verbinden das Trio mit der Partei.

"Unsere Großväter waren keine Verbrecher": Mundlos und Böhnhardt 1996 mit André K.. Bild: dapd

Das NPD-"Heim" lag etwas außerhalb von Georgsmarienhütte an der Bundesstraße 51. Seit Ende der 80er Jahre galt das heruntergekommenen Fachwerkgebäude als Treff der rechtsextremen Szene. In dem Haus am Harderberg fanden regelmäßig Liederabende, Schulungen und Vortragsrunden statt. Kader der NPD, aber auch der militanten Kameradschaften waren hier in Niedersachsen gern gesehene Gäste - und angeblich auch die abgetauchten rechtsextremen Terroristen der "NSU".

Nach Aussagen eines Aussteigers soll Beate Zschäpe, Jahre nachdem sie und die beiden Terroristen Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos in den Untergrund gegangen waren, im Jahr 2004 an einer Weihnachtsfeier in dem inzwischen abgerissenen Haus teilgenommen haben. Im März zuvor soll sie schon bei einer Kundgebung in Georgsmarienhütte gesehen worden sein. Der niedersächsische Verfassungsschutz weiß, dass damals 30 bis 40 Personen zur Weihnachtsfeier in das NPD-"Heim" kamen. Dass Z. dabei war, könne man zwar nicht bestätigen. "Möglich ist es aber", sagte eine Sprecherin.

Unmittelbar vor dem Untertauchen bewegte sich das Terror-Trio im Umfeld der NPD. Im Januar 1998 beteiligten sie sich in Dresden an einer NPD-Demonstration gegen die Wehrmachtausstellung, wie Fotos von damals zeigen. In den Händen das Transparent: "Nationalismus - eine Idee sucht Handelnde".

Nach dem Bekanntwerden der mindestens zehn Morde durch den "Nationalsozialistischen Untergrund" betrachtet man solche Verbindungen natürlich in neuem Licht. Jedes weitere Detail befeuert die schon seit Tagen laufende Debatte um ein neues NPD-Verbotsverfahren. Das erste war 2003 daran gescheitert, dass die Politik sich weigerte, die V-Leute des Verfassungsschutzes abzuschalten.

Nun wird das frühere enge Umfeld der drei Neonazis von den Ermittlern genau unter die Lupe genommen, vor allem ein halbes Dutzend Kumpels aus der Jenaer Kameradschaftsszene, die Teil des größeren Zusammenschlusses "Thüringer Heimatschutz" waren.

Freunde aus alten Zeiten

Zwei Namen, die jetzt immer wieder fallen: Ralf W. und André K. Mit ihnen erschienen Mundlos und Böhnhardt im Herbst 1996 beim Prozess gegen einen Altnazi. Die Gruppe entrollte im Gericht ein Transparent: "Unsere Großväter sind keine Verbrecher". André K. soll den dreien 1998 dann beim Abtauchen geholfen haben, er möchte dazu nichts sagen.

Ralf W. machte später in der NPD Karriere, wurde eine Zeit lang Vizelandeschef in Thüringen und Pressesprecher. Bis 2010 blieb er Kreisvorsitzender in Jena, trat dann aber von seinen Ämtern zurück. Wie interne E-Mails aus der NPD belegen, die der taz zugespielt wurden, steht Ralf W. aber weiter in enger Verbindung mit der rechtsextremen Partei.

So fragt ihn im November 2010 ein NPD-Mann, ob er nicht Fotos über einen Fackelaufmarsch der Rechtsextremen auf die Internetseite des "Aktionsbüros" setzen will, das sich selbst "informelle Netzstruktur für den nationalen Widerstand in Thüringen" nennt. In einer anderen E-Mail beschwert Ralf W. sich über einen alten Weggefährten, der "den Weg zurück in die BRD gehen" will: "Drecksack." Auf eine taz-Anfrage reagierte W. nicht.

Die Grenzen verschwimmen

Auch in einem internen, passwortgeschützten Forum des militanten "Freien Netzes", ein Zusammenschluss militanter Kameradschaften aus Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen, schrieb Ralf W. mit. In den Jahren 2008 und 2009 bekennen sich seine Kameraden dort freimütig als Nationalsozialisten, huldigen dem "Chef" Adolf Hitler oder wettern gegen "das transnationale Kapital unter Führung der USA und dessen Nahost-Brückenkopf Israel".

Sie besprechen militante Vorhaben, wollen "das System wegblasen" und bejahen körperliche Gewalt - bis hin zum Töten von Polizisten. Dort schreibt auch der heutige Vize-Landeschef der NPD in Sachsen mit: Maik Scheffler. NPD, militante Kameradschaften, Rechtsterrorismus - die Grenzen verschwimmen.

Und dennoch zögert Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich, den Schritt für ein neues NPD-Verbot zu gehen. Denn er weiß, wie langwierig der Weg dorthin ist, mindestens zwei bis drei Jahre würde das Verfahren dauern.

Um kein erneutes Scheitern zu riskieren, müssten die V-Leute abgeschaltet werden; das würde zwangsläufig dazu führen, dass der Staat weniger für ein Verbot in der Hand hat. Es ist ein Dilemma: Die NPD will das System abschaffen, doch der Staat scheint sie kaum mehr abschaffen zu können.

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12 Kommentare

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  • S
    suswe

    @ Richard Detzer: Ach die arme NPD. Ist ja so von Rassismus betroffen. Hat mit den "freien" Kameradschaften gar nichts zu tun. Würde Deutschland zu einem Paradies der Sittlichkeit machen, wenn sie könnte, wie sie wollte. Nazis waren für Deutschland schon immer der reine Segen.

     

    @ dev: Ach die böse PKK, hat ja auch schon 51 Millionen Tote und mehrere 100 Millionen Schwerverletzte produziert. Hängt bei Grünen und Linken permanent am Kaffeetisch herum, die sind mit denen im ALLEM total einig. Kriegt reichlich Geld von Deutschen Staat, von UNSEREN STEUERGELDERN und kann über Jahre morden, ohne belangt zu werden.

     

    @ Rest der Welt: Ach ,ach ach.

  • W
    Webmarxist

    Wo ist da bitte schön die Gerechtigkeit, wenn gesuchte Nazis bei einer Weihnachtsfeier der NPD gesehen werden und das Handy des Bürgers der sich Rechts engagiert überwacht wird ?

     

    Faschismus ist keine Meinung,sondern ein Verbrechen.

  • LK
    liebe Kettenhundchen

    JA GENAU!

    DIE NPD IST TOO BIG TO FAIL!

    soll ja als Drohpotential weiter bestehen.

  • RD
    Richard Detzer

    Schluß jetzt mit dem Rassismus gegen die NPD. Warum Terroristen dort austreten. NDP ist ihnen offensichtlich zu friedlich gewesen.

  • J
    Jankings

    "Es ist ein Dilemma: Die NPD will das System abschaffen, doch der Staat scheint sie kaum mehr abschaffen zu können."

     

    Schonmal daran gedacht, dass man die NPD nicht unbedingt verbieten muss um sie "abzuschaffen". Jedes Jahr werden zig Tierarten "abgeschafft" indem man ihren Lebensraum vergiftet und zerstört und ihnen somit die Lebensgrundlage entzieht.

     

    Wenn es genauso wirtschaftlich erfolgreich wäre sozialstaatliche Leistungen zu erbringen wie die Regenwälder abzuholzen, hätte man das NPD-Problem wohl nicht oder zumindest nicht in dem Ausmaß. Solange der Sozialstaat jedoch immer weiter abgebaut wird und sich somit Räume für Organisationen wie die NPD auftun, die dann bereitwillig in die Bresche springen und von der Schülernachhilfe bis hin zur Schuldnerberatung diversen "Service" anbieten und somit ganz nebenbei ihre Ideologie vermitteln, braucht man sich nicht wundern, dass die Probleme eher größer werden als kleiner.

     

    Doch egal, ob man diese Partei nun verbietet oder versucht deren Basis auszutrocknen - mit dem Verschwinden der NPD wäre das Problem Rechtsextremismus dennoch lange nicht gelöst - und übrigens auch die Frage des Alltagsrassismus nicht.

  • D
    dev

    was ist mit den grünen und der linken und ihre beziehungen zur PKK?ar hier eingeben

  • V
    vic

    Während nicht nur Linke, sondern mittlerweile auch Musterbürger mit Knüppeln und Reizgas traktiert werden, fasst der "Rechts"-Staat Neonazis noch immer mit

    Samthandschuhen an.

    Derzeit findet ein Wettbewerb statt, Argumente zu finden, der NPD den Parteienstatus Nicht zu entziehen.

    Dabei wär`s so einfach: Keine NPD, keine V-Leute auf die man Rücksicht nehmen muss.

    Wie ich das sehe, haben die ohnehin eine denkbar schlechte Erfolgsbilanz. Wenn die überhaupt zu gebrauchen sind, dann für die NPD.

  • K
    Königsberger

    Der rechte Sumpf muss aufgeräumt werden. Deshalb sollten auch diese Berichte im Interesse Deutschlands nicht unterschlagen werden:

     

    http://www.derwesten.de/staedte/essen/rechtsradikale-graue-woelfe-tagen-in-der-essener-grugahalle-id6080327.html

     

    http://www.wdr2.de/musik/audioduerfendiegrauenwoelfeamwochenendeinessentagen100-audioplayer.html

  • P
    PeterWolf

    Entschuldigung:

    "Weihnachtsfeier bei Nazis"?????

    Da muss ich irgendwas nicht richtig verstanden haben, könnte mir das jemand erklären??

    Aber bitte nicht mit "Jahresendzeitfigur" oder wie immer die Teile in der Zone bezeichnet wurden.

     

    Wie immer ratlos

    Peter

  • HJ
    Hamburger Jung

    Irgendwie verstehe ich nicht, aus welchem Grund sämtliche Tageszeitungen behaupten, dass die Beweise für die Verfassungswidrigkeit der NPD vor Gericht keine Verwendung finden können, weil der Verfassungsschutz V-Leute in die NPD eingeschleust hat. Der Grund für das Einschleusen der V-Leute besteht doch gerade darin, Beweise zu sammeln, um die NPD der Verfassungswidrigkeit zu überführen.

     

    Tatsache ist, dass einer der Kronzeugen im angestrebten Verbotsverfahren aus dem Jahre 2003 ein V-Mann gewesen ist und daraufhin drei der fünf Richter eine Sperrminorität für das Verfahren gebildet haben. Das beudeutet nicht, dass es kein weiteres Verfahren geben kann bzw. dass ein Verbotsverfahren grundsätzlich zum Scheitern verurteilt ist. Die Aufnahme des Verfahrens hängt ganz von der Zusammensetzung des Gerichts ab und die Politik hat in diesem Zusammehang schliesslich ein Vorschlagsrecht.

     

    Im übrigen steht die Entscheidung des Verfassungsgerichts im Gegensatz zur gängigen Rechtspraxis deutscher Gerichte. Schliesslich werden V-Leute bewusst in verbrecherische Organisationen eingeschleust, ohne dass dadurch die Möglichkeiten für die Aufnahme eines Gerichtsverfahrens eingeschränkt wird.

     

    Der unbeteiligte Bürger sollte sich an dieser Stelle nicht nur fragen, in welchem Verhältnis der Verfassungsschutz zur NPD steht, sondern auch, in welchem Verhältnis das Verfassungsgericht und die etablierten Parteien zu dieser Partei stehen. Sofern ein politischer Wille für einen Verbot bestünde, könnte man diese Partei ohne weiteres verbieten. In Anbetracht der Tatsache, dass der deutsche Staat die NPD über den Verfassungsschutz mittlerweile zu weiten Teilen finanziert, scheint dieser Wille hingegen überhaupt nicht zu bestehen.

  • D
    drehmstz

    Nazi-Terror

    Wenn man sich die Chronologie der Attentate und sonstigen bekannten und mutmaßlichen Straftaten der Terror-Zelle anschaut, fällt auf, dass nach dem Mord an der Heilbronner Polizistin vier Jahre lang fast nichts passierte. In dieser Zeit sollen sie offenbar nur vom zusammengeraubten Geld gelebt haben? Oder gab es unbekannte Geldquellen?

    Im übrigen passt es mir überhaupt nicht, dass schon wieder staatlicherseits Stimmen zu hören sind, wonach es keine Hinweise auf Verbindungen zu einem Verfassungs"schutz" geben soll. Nachdem man über mehr als ein Jahrzehnt gar nichts von den Nazis wusste, will man jetzt in wenigen Tagen schon so "viel" wissen? Das ist unglaubwürdig und sollte das Misstrauen in der Öffentlichkeit noch verstärken.

  • C
    Claus

    Stimmt, das wäre schrecklich, wenn die NPD sich zurückhält.