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Vattenfall-HauptversammlungDie Aktionäre schweigen

Zur Hauptversammlung von Vattenfall kamen Aktionäre und Umweltschützer nach Berlin. Zu sagen hatten sie sich wenig.

Die Hauptversammlung hat noch nicht angefangen, schon kommt es zum Störfall: Der Schornstein des Atommeilers aus Styropor, den Naturschützer vor dem Kongress-Hotel in Berlin-Neukölln aufgebaut haben, hält nicht dicht. Gelber Rauch quillt heraus, nicht oben, wo er soll, sondern aus einer Bruchstelle in der Mitte. Schnell hüllt eine ungesund aussehende Wolke Fotografen, Journalisten und ein Dutzend Aktivisten von Robin Wood ein.

Alles nur Theaterdonner, Kulisse für die Medien. Drinnen geht das weiter. Sonnenblumen im Foyer, im Saal eine Riesenbühne, auf der Vorstand und Aufsichtsrat Platz nehmen. Inszeniert wird die Rechtfertigung vor den Aktionären. Auch die, die nur eine Aktie haben, dürfen die Mächtigen kritisieren und ihnen unbequeme Fragen stellen.

Davon gibt es genug. Immerhin hat Vattenfall bewegte Wochen hinter sich. Die beiden Atomkraftwerke Krümmel und Brunsbüttel sind wegen technischer Pannen vom Netz. Dem Kommunikations-GAU danach fielen zwei Vorstandsmitglieder, darunter der Chef der deutschen Tochter Vattenfall Europe, zum Opfer. Die Konkurrenten berichten seit Wochen über tausende neue Kunden, die ihren Strom nicht mehr von Vattenfall beziehen wollen. Und trotz Klimawandel setzt Vattenfall weiterhin auf Braunkohlekraftwerke, will sogar seine Bagger in neue unberührte Gebiete im Osten Deutschlands schicken.

Gegenanträge gegen diese Politik liegen vor, aber sie haben keine Chance. Über 95 Prozent der Aktien liegen in der Hand des schwedischen Staatskonzerns Vattenfall AB. Deshalb wurden die restlichen freien Aktionäre mit einem sogenannten Squeeze-out zum Verkauf ihrer Aktien gezwungen. Das ist rechtlich möglich und beschlossene Sache, weshalb es eigentlich keine Hauptversammlung wie diese mehr geben sollte. Vattenfall hätte sich unangenehme Fragen gern erspart. Doch liegen noch einige Klagen gegen den Zwangsverkauf vor Gericht. Deshalb gibt es eine letzte Hauptversammlung. Eine letzte Chance, den Ärger ganz oben loszuwerden.

Doch statt zum Rednerpult drängen die meisten der rund 300 angereisten Aktionäre nach der Rede des Vorstandsvorsitzenden lieber ans Buffet. Mittagessen und ein Vattenfall-Baumwolltäschchen sind ja umsonst. Und schließlich hat der neue Chef Hans Jürgen Cramer sich ja gerade schuldbewusst gezeigt. "Wir haben den Kunden nicht immer in ausreichendem Maße als Partner gesehen", sagt er mit Blick auf den verkorksten Versuch, die Berliner Kunden auch für eine Versicherung gegen Stromausfälle zahlen zu lassen. "Wir müssen die Sorgen und berechtigten Ängste der Menschen ernst nehmen", lautet eines seiner Statements zu Brunsbüttel und Krümmel, wo es aber "keinen ernstzunehmenden Störfall" gegeben hätte, "der Anlass zu Sorgen und Ängsten hätte sein können". Die Kommunikation des Konzerns solle demnächst sein wie ein "offenes Buch". So will man die verlorengegangenen Kunden zurückgewinnen.

Wie viele Hamburger und Berliner mittlerweile gekündigt haben, das sagt Cramer nicht. Auch auf Nachfrage der Profis von den Aktionärsvereinigungen reagiert er nicht. Die neue Transparenz kommt schnell an ihre Grenzen. Und zur Frage, warum Vattenfall gerade den problematischen Reaktor Brunsbüttel länger laufen lassen will als noch im Atomkonsens mit der Bundesregierung ausgemacht, lässt er lieber den Vorstandskollegen Reinhardt Hassa über die Beherrschbarkeit der Risiken in Atomkraftwerken Phrasen dreschen.

Vor dem Hotel ist es spannender, da wird inzwischen heftig diskutiert, Vattenfall-Sprecher Martin May liefert sich ein minutenlanges Wortgefecht mit einem Aktivisten. Doch auch hier sind die Rollen festgelegt, die Positionen sind schließlich unvereinbar. Die Naturschützer kritisieren fast alle Säulen der Geschäftspolitik des Konzerns, bei dem May sein Geld verdient. Was soll er auch sagen zu Forderungen wie der von Dirk Seifert, dem Energieexperten der Umweltorganisation Robin Wood. "Vattenfall muss die Lizenz für den Betrieb seiner Schrott-Reaktoren zurückgeben und aus der Nutzung der Atomkraft aussteigen." Eine Debatte ohne Chance auf Konsens.

Das wissen auch die Beteiligten. Irgendwann sind alle Interviews gegeben und alle Fotos gemacht. Und bevor die Protestler vor dem Hotel ihre Plakate einrollen, wollen einige noch schnell einen Happen vom Vattenfall-Buffet zu sich nehmen. Leider mussten das die Sicherheitsbeamten verhindern. Vielleicht wären sie dort bei Buletten und Pasta doch noch mit einigen Aktionären ins Gespräch gekommen - jenseits aller Inszenierungen.

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