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■ Grüner Beifall für die CDU: 150 Bundestagsabgeordnete der Union fordern eine Reform des Staatsbürgerschaftsrechts. Automatisch sollen ausländische Kinder eingebürgert werden. Die schwarzen Hardliner halten davon gar nichts.Vater türkisch

Grüner Beifall für die CDU: 150 Bundestagsabgeordnete der Union fordern eine Reform des Staatsbürgerschaftsrechts. Automatisch sollen ausländische Kinder eingebürgert werden. Die schwarzen Hardliner halten davon gar nichts.

Vater türkisch, die Tochter deutsch

Die politische Welt scheint Kopf zu stehen. Aus der Mitte der CDU kommt eine liberale Initiative zum Staatsangehörigkeitsrecht, die SPD und FDP ziemlich alt aussehen läßt. Bündnis 90/Grüne klatschen Beifall, wenngleich sie den Erfolg des Vorstoßes skeptisch beurteilen. SPD und FDP reagieren zustimmend, die SPD ein wenig verschämt, weil ihnen die junge CDU-Garde die Butter vom Brot zu nehmen scheint.

Nur die Hardliner der eigenen Partei ziehen eine Grimasse. Und das verwundert nicht einmal. Schließlich liest sich die Begründung der Initiative einiger CDU- Abgeordneter „für ein zeitgemäßes Staatsangehörigkeitsrecht“ wie von einem Papier von Bündnis 90/Die Grünen abgekupfert. „Die soziale und rechtliche Integration der in Deutschland lebenden Mitbürger“, heißt es da, „ist eine moralische Verpflichtung gegenüber den Betroffenen und unverzichtbar für die dauerhafte Bewahrung des gesellschaftlichen Friedens. Der Schaffung eines zeitgemäßen Staatsangehörigkeitsrechts kommt dabei eine zentrale Bedeutung zu.“

Zeitgemäß bedeutet für die drei Initiatoren, die auch als „junge Wilde“ bezeichneten Peter Altmaier, Norbert Röttgen und Eckart von Klaeden, daß in Deutschland geborene Kinder ausländischer Eltern mit der Geburt die deutsche Staatsangehörigkeit erhalten und dann mit 21 eine endgültige Entscheidung über ihren Paß treffen. Außerdem sollen Ausländer, die seit mindestens 10 Jahren rechtmäßig in Deutschland leben, einen Rechtsanspruch auf Einbürgerung erhalten. 150 Bundestagsabgeordnete der CDU tragen den Antrag inzwischen mit.

Der Vorschlag ist nicht neu, schon im August letzten Jahres waren die drei jungen CDU-Abgeordneten damit an die Öffentlichkeit gegangen. Doch als es zum ersten Mal ernst wurde, knickten Altmaier, Röttgen und Klaeden ein. Die Bündnisgrünen hatten im Februar dieses Jahres einen Antrag präsentiert, der die Regierung aufforderte, die Einbürgerung zu erleichtern, unter anderem auch durch die automatische Staatsangehörigkeit für hier geborene Kinder ausländischer Eltern. Einer Annahme des Antrags im Bundestag wurden große Chancen eingeräumt. Doch schließlich fehlten sechs Ja-Stimmen aus der Koalition. Darunter ausgerechnet die der „jungen Wilden“.

Damals, so erklärte Eckart von Klaeden, habe man keinem Antrag der Opposition zustimmen wollen, der „Unruhe in der Koalition stiften sollte“. Viel lieber war es ihnen, selbst die Initiative zu ergreifen. Peter Altmaier ganz unverblümt: „Es soll nicht später heißen, daß uns die FDP Zugeständnisse zum Staatsangehörigkeitsrecht abverlangt hat.“

Ob die Durchsetzung jedoch gelingt, ist fraglich. „Der Worte sind genug gewechselt, jetzt müssen Taten folgen“, sagt der einwanderungspolitische Sprecher der Grünen, Cem Özdemir. Die CDU-Initiative sei zwar eine „nette Sache“, aber er wisse auch, wer in der Union entscheide. Für ihn gehen die Vorschläge der jungen Wilden zudem noch nicht weit genug. Bündnis 90/Die Grünen fordern die Ermöglichung der doppelten Staatsbürgerschaft für Ausländer der ersten und zweiten Generation und – wie die SPD – ein Einbürgerungsrecht nach achtjährigem Aufenthalt in Deutschland. Auch die Innenexpertin der SPD, Cornelie Sonntag-Wolgast, sieht den CDU- Vorstoß mit gemischten Gefühlen. „Jeder Fortschritt soll mir recht sein“, sagte sie. Sie habe bisher jedoch noch kein Signal wahrgenommen, „daß die Hardliner in der CDU weich werden“. Wenn doch, so Cornelie Sonntag-Wolgast, würde sie persönlich den Vorschlag zur Einbürgerung von in Deutschland geborenen Kindern unterstützen. Ob das auch für ihre ganze Partei gelte, könne sie nicht sagen. Zur Zeit herrsche die Meinung vor, daß nur Kinder von in Deutschland geborenen Eltern automatisch deutsche Staatsbürger werden sollen. Vor allem bei den Innenministern der Länder gebe es ein breites Meinungsspektrum.

Gute Chancen für ein neues Staatsangehörigkeitsrecht auf Grundlage des CDU-Vorstoßes sieht dagegen FDP-Generalsekretär Guido Westerwelle. Der Meinungsdruck sei inzwischen so groß, daß noch in dieser Legislaturperiode eine Einigung gefunden werden könne. „Ich freue mich sehr, daß die Bewegung für ein modernes Staatsangehörigkeitsrecht immer größer wird“, sagte Westerwelle. Die Richtung des Vorstoßes begrüße er „von ganzem Herzen“. Die automatische Einbürgerung von in Deutschland geborenen Kindern der zweiten Generation sei auch von der FDP gewollt.

Der größte Widerstand für die Vorstellungen der jungen Wilden droht aus den eigenen Koalitionsreihen. Der innenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion, Erwin Marschewski, sagte, er könne die Initiative der jungen Kollegen nicht als „zeitgemäß“ ansehen. Sie sei vielmehr reaktionär. „Früher haben die Fürsten Ausländer eingebürgert, damit sie mehr Soldaten haben.“ Seiner Erfahrung zufolge bringe die automatische Einbürgerung für die Betroffenen nichts. Es sei nur verwirrend, wenn sie als Erwachsene eine endgültige Entscheidung über ihre Staatsbürgerschaft treffen müßten. „Die Ausländer halten selber nichts davon.“ Dem Vorstoß der „jungen Wilden“ gibt er keine Chance. Es handele sich nur um eine „ganz kleine Minderheit, etwa zehn Prozent“.

Norbert Geis, der Vorsitzende der Arbeitsgruppe Recht der CDU/CSU-Fraktion, sagt dazu: „Ich bin der Meinung, wir sollten die bisherige Haltung der Koalition zur Einbürgerung lassen wie sie ist.“ Die Initiative seiner Kollegen bedeute einen ersten Schritt hin zur doppelten Staatsangehörigkeit. Und das wolle seine Partei auf keinen Fall. Markus Franz

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