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VW-Werk in ChinaEmpörung reicht nicht

Fabian Kretschmer
Kommentar von Fabian Kretschmer

Die moralische Entrüstung über das VW-Werk in Xinjiang greift zu kurz. Denn es bietet relativ gute Jobs und Bedingungen.

Automobilfertigung im VW-Werk in Xinjiang, 2018 Foto: China Daily/reuters

S eit Langem prangern Journalisten und NGOs das VW-Werk im westchinesischen Xinjiang an – jener Provinz, wo Hunderttausende Uiguren Zwangsarbeit verrichten. Konzernchef Herbert Diess sagte 2019 in einem BBC-Interview schnippisch, er sei sich der Existenz der Umerziehungslager in Xinjiang nicht „bewusst“. Das war ein PR-Fiasko – gerade für ein deutsches Unternehmen, das während der Nazi-Herrschaft massiv historische Schuld auf sich geladen hat.

Die Debatte über die Arbeitsbedingungen vor Ort und die Lieferketten setzt internationale Unternehmen zu Recht unter Druck. Die VW-Spitze rechtfertigt ihre Praxis nun selbstbewusst. Diess sagte der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung, dass in dem Werk schließlich Arbeitnehmerrechte und Sozialstandards sichergestellt seien.

Xinjiang in der westchinesischen Wüste ist der wohl umstrittenste wie auch wirtschaftlich unrentabelste VW-Standort. Das Werk wurde auch auf Druck der chinesischen Regierung gebaut, die die strukturschwache Region fördern will – und möglicherweise auch, um die Menschenrechtsverbrechen zu übertünchen.

Diess erntet in den sozialen Medien viel moralische Entrüstung. Das ist naheliegend, zu naheliegend. Denn der VW-Chef liegt durchaus richtig. Wem würde es nützen, wenn VW sein Werk in Xin­jiang schließt? Das würde das schlechte Gewissen in Deutschland lindern – vor Ort würde es schaden, auch den Angehörigen der verfolgten Minderheit der Uiguren. Denn für die ist eine Stelle im VW-Werk sowohl verdienstmäßig als auch von den Arbeitsbedingungen her ein deutlicher Fortschritt.

Doch gleichzeitig macht es sich Diess zu einfach, wenn er meint, für VW Zwangsarbeit in der chinesischen Zuliefererkette ausschließen zu können. Kürzlich haben internationale Wirtschaftsprüfer bekannt gegeben, wegen der Intransparenz chinesischer Behörden keine Zulieferketten westlicher Unternehmen mehr auf Zwangsarbeit zu durchleuchten. Da sind kritische Nachfragen an VW angebracht. Woher will der Konzern wissen, dass seine Zulieferketten in China menschenrechtskonform sind?

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Fabian Kretschmer
Korrespondent in Südkorea
Seit 2024 Korrespondent für die koreanische Halbinsel und China mit Sitz in Seoul. Berichtete zuvor fünf Jahre lang von Peking aus. Seit 2014 als freier Journalist in Ostasien tätig. 2015 folgte die erste Buchveröffentlichung "So etwas wie Glück" (erschienen im Rowohlt Verlag), das die Fluchtgeschichte der Nordkoreanerin Choi Yeong Ok nacherzählt. Betreibt nebenbei den Podcast "Beijing Briefing". Geboren in Berlin, Studium in Wien, Shanghai und Seoul.
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4 Kommentare

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  • Wenn mir einer erzählen würde, er wüsste genau was wie in China läuft, hätte ich nur eine Antwort für ihn: Volltrottel!



    Kein anderes Land ist von seinen Machthaber so perfekt "durchgestylt" wie China.



    Selbst Nordkorea nur annähernd und nur mit chinesischer Hilfe.

  • 1G
    13566 (Profil gelöscht)

    Liebe Leute,



    in China gibt es keine Menschenrechte. Die gibt und gab es in keinem kommunistisch regierten Land.



    Also kann man davon ausgehen, das bei allen Produkten, die aus China kommen, Menschenrechte während der Produktion und auch in der Lieferkette nicht geachtet werden.



    Konequenz wäre: Alle Produkte aus China boykottieren.



    Aber dafür gibt es keinen allgemeinen Aufruf von den üblichen Verdächtigen.



    Stattdessen sollen Waren aus Israel boykottiert werden. Israel ist aber immerhin ein Rechtsstaat, wo auch mal ein Ex-Präsident und Ministerpräsident vor Gericht landen.



    Und die Palestinänser gegen Corona geimpft werden, weil deren eigenen, rechtschaffenden mit Entwicklungsgeldern von NGO's gestopften Organisatinen es nicht hinbekommen. Lieber shoppen gehen in Paris, wie Frau Arafat.

  • Na, dann ist ja alles gut, wenn das Werk "auf Druck der chinesischen Regierung gebaut" wurde. Wolfsburg war ja auch mal eine "strukturschwache Region", bis eine Regierung sagte wo's lang geht. Wie könnte ein Unternehmen auch Nein sagen, wenn der Standort von der Regierung bestimmt wird? Oder gar eine unrentable Produktionsstätte für 50000 SUV stilllegen?



    Kapitalinteressen first, Menschenrechte second in China. In demokratischen Rechtsstaaten werden nur Gesetze gebrochen, die die Kapitalinteressen gefährden. Keine Menschen, wie in Xin­jiang. Weil dort Sozialleistungen gezahlt werden und auf Arbeitnehmerrechte geachtet wird, liegt der VW-Chef richtig? Hauptsache Arbeit? Und Zwangsarbeit in der Zulieferkette wäre schließlich auch Arbeit, ohne die die so Beschäftigten und die Beschäftigten im Werk keine Arbeit hätten.



    Mir scheint, der moralische Kompass ist mittlerweile völlig kaputt. Nicht nur in Unternehmen! Da hilft auch keine "Entrüstung" mehr.

  • 4G
    4813 (Profil gelöscht)

    Seid ihr gehackt worden? Wie sonst passt die Unterüberschrift:

    "Die moralische Entrüstung über das VW-Werk in Xinjiang greift zu kurz. Denn es bietet relativ gute Jobs und Bedingungen."

    zum Text?