VORWÜRFE GEGEN DÄNISCHE SOLDATEN: SELBSTZWEIFEL SIND ANGEBRACHT : Abkehr von liberalen Traditionen
Noch ist zwar unklar, was im dänischen Camp Eden im Irak wirklich geschehen ist. Es lässt aber Schlimmes vermuten, dass die gesamte Kommandoebene der Einheit abgesetzt und nach Hause beordert ist – ein bislang einmaliger Vorgang. Zudem hat sich die hauptbeschuldigte Offizierin in Fernsehinterviews Methoden zugestanden und eine Einstellung zu ihrem „Feind“ gezeigt, die nahe legen, dass Menschenrechtsverbrechen in Camp Eden verübt worden sind.
Doch nach dem ersten Schrecken beginnt in Dänemark nun schon die Debatte darüber, in welchem Grad hier womöglich Recht und Würde anderer Menschen verletzt wurden. Man könne nicht in den Krieg ziehen, wenn die Grenzen dessen, was man darf, so haargenau gezogen werden, tönt es aus dem Offizierskorps. Wer wolle noch Soldat in einem Krisengebiet sein, wenn er ständig mit der Genfer Konvention unter dem Arm herumlaufen müsse. Viele Soldaten müssten nun fürchten, dass sie als nächste an der Reihe seien und wegen solcher „haarfeinen Grenzüberschreitungen“ wie Wasserverweigerung, dröhnender Musik und dem Hüpfen in Hockstellung an den Pranger und vor den Kadi gestellt werden.
Sie haben gut aufgepasst, diese Offiziere, haben gelernt, wie die Regierung in Kopenhagen üblicherweise mit Vorwürfen von Menschenrechtsverletzungen umgeht, etwa in der Flüchtlings- und Ausländerpolitik. Wenn, wie kürzlich geschehen, der zuständige Minister einen kritischen Bericht des Europarats mit einem „interessiert uns nicht“ abtut und befindet, die Dänen hätten doch ein Problem in den Griff bekommen. Es wäre sicher zu einfach, eine direkte Linie zwischen Camp Eden im Irak und dem Verstoß Kopenhagens gegen den Gleichheitsgrundsatz bei AusländerInnen in Dänemark zu ziehen. Doch entspringen sie einem ganz ähnlichen Bild von „uns“ und „denen“, diese angeblichen „Petitessen“, die hier und dort zur Disposition gestellt werden. Dänemark hat in den letzten Jahren eine radikale Kehrtwende von seiner liberalen Tradition vollzogen. Selbstzweifel sind hier angebracht. REINHARD WOLFF