VOM BUCH VERSCHLUNGEN : Lesekrank
Lesen tötet die Liebe. Darüber haben sich die vernachlässigten Männer bücherhungriger Frauen schon vor Jahrhunderten beklagt. Die Kinder schreien, die Milch kocht über, der Gatte hat Löcher in den Socken. Aber Madame bekommt von alledem nichts mit, weil Mr. Darcy Miss Elisabeth gerade den ersten Heiratsantrag gemacht hat.
Das war einmal. Das haben wir lange hinter uns. Heute freuen wir uns doch, wenn der oder die Liebste mal was liest. Hält doch eh keiner lange durch. Dafür dauert Fußball auch nur neunzig Minuten ohne Halbzeit und im Ausgleich darf ich sabbern, wenn Alan Rickman im Fernsehen kommt.
Und dann hatte Stephen King plötzlich ein neues Buch geschrieben, das mein Freund nach monatelangem Warten in der Bibliothek ergattert hatte. Und aus dem romantischen Wochenende wurde eine ziemlich einsame Angelegenheit. „Hast du Hunger?“ „Nein.“ „Wollen wir vögeln?“ „Später.“ „Gehst du mit mir spazieren?“ „Nicht jetzt, es wird grad jemand ermordet!“
Das war nicht lustig! Aber auch die längste Mordserie geht mal zu Ende. Der Alltag kehrte zurück mit Sex, Kochen und Spaziergängen und alles war wieder Friede, Freude, Eierkuchen. Bis ich die Grippe bekam und meine Mitbewohnerin mir zur Genesung Stieg Larsson verordnete. Ganz gefährlich. Und auch gesundheitsschädlich. Denn es kann doch nicht gut sein, mit Erkältung und Fieber bis drei Uhr morgens in der Küche zu sitzen, weil man nicht eher schlafen kann, als bis man weiß, wer denn nun der Mörder war. Und der Mann liegt beleidigt im Bett.
Gerade hab ich mit meiner Mutter telefoniert. Sie ist mit ihrem Freund übers Wochenende weggefahren. Schön Wellness in Warnemünde. „Uns geht’s gut“, sagt sie, „Karl liegt neben mir und hat grad den Larsson angefangen.“ Arme Mama, sie wird wohl alleine in die Sauna gehen müssen. LEA STREISAND