VFB Stuttgart hat einen neuen Trainer: "Ich bin sehr leistungsorientiert"
Christian Gross, der Neue beim VfB Stuttgart könnte eine Bereicherung in der Bundesliga werden.
STUTTGART taz | Wenn Christian Gross einen Raum betritt, dann wird das registriert. Der neue Trainer des VfB Stuttgart liebt diese Auftritte und es scheint, als habe er in seiner Zeit in der Warteschleife noch an der imposanten Trainerfigur Gross gearbeitet. Gross gilt zudem als Meister der Visualisierung und schickte die Spieler des FC Basel im Trainingslager in St. Moritz immer wieder mit der Seilbahn auf den Piz Bernina, den mit 4.049 m höchsten Berg des Engadins. Der Coach hängte in der Kabine auch gerne mal eine riesige Attrappe eines Haifischs auf und ließ die Profis in das mächtige Maul blicken. Als Abschiedssong vom FC Basel wählte er „Tougher than the rest“ (Härter als der Rest) von Bruce Springsteen. Er könnte also durchaus eine Bereicherung für die Bundesliga werden, die lange genug auf ihn warten musste.
Immer wieder gab es in den vergangenen Jahren Angebote. Doch er blieb in der Schweiz. Dort war er ein Star. Man könnte es auch Treue nennen. „Verträge sind für mich da, um sie einzuhalten. Jetzt war die Marktsituation eine andere“, sagte Gross, der beim VfB einen Kontrakt bis 30. Juni 2011 unterschrieb.
In Stuttgart findet er eine Formation vor, die in den vergangenen Wochen den Glauben und den Zusammenhalt verloren hat. Genau bei diesem Punkt wird Gross den Hebel ansetzen. „Ich will eine lebendige Mannschaft, die spricht.“ Von den energieraubenden Jahren beim FC Basel hat er sich in den sechs Monaten Pause prächtig erholt. Gross sieht unheimlich jung aus für seine 55 Jahre. Seine besten Momente hatte er in großen Spielen.
In der Saison 2003/2004 zum Beispiel, als der FC Basel mit grandiosen Auftritten in der Champions League in ganz Europa bekannt wurde. Dort durfte sich der eloquente Trainer vor einem internationalen Publikum präsentieren.
Heute ist für den Fußball-Lehrer wieder so ein besonderer Tag, wenn der VfB Stuttgart gegen das rumänische Team Urziceni um den Einzug in das Achtelfinale der Königsklasse kämpft. „Wir haben die Möglichkeit, etwas Tolles zu schaffen. Es ist eine reizvolle, aber auch eine sehr gefährliche Aufgabe“, sagte Gross.
Neben ihm saß Horst Heldt, der überhaupt nicht gefragt wurde. Eine völlig neue Erfahrung für den Sportdirektor, der in Zeiten von Markus Babbel stets als gleichberechtigter Partner auf dem Podium agierte. „Ich bin ein positiver Mensch und sehr leistungs- und zielorientiert“, so Gross über Gross.
Der 55-Jährige gibt nicht gerne viel von sich preis, lässt sich nicht gerne hinter die selbstbewusste Fassade blicken. Diesen Schutzschild legte sich Gross nach dem schmerzhaften Scheitern bei seinem ersten Auslandsabenteuer bei Tottenham zu. Die Londoner hatte er zwar vor dem Abstieg gerettet, obwohl der Klub finanzielle Probleme hatte. Zum Schluss war er unter Spott und Hohn entlassen worden.
„Das war für mich dennoch eine sehr wertvolle Station“, sagte Gross. Immerhin erzählt er, dass er in seiner Zeit in Palma de Mallorca einen Spanischkurs belegt und viele Fußballspiele von seinem Lieblingsklub Barcelona besucht hat. „Die haben den Teamgedanken fest verankert. Da können sich auch die Superstars keine Extras rausnehmen. Das macht sie so stark“, so Gross.
Dieses Modell würde er gerne auch beim VfB Stuttgart umsetzen. Gross gilt als erfahren im Umgang mit schwierigen Spielern. Die sensiblen Yakin-Brüder hatten beim FC Basel unter Gross ihre beste Zeit. Beim VfB hat er mit Aliaksandr Hleb und vor allem mit Jens Lehmann eine reizvolle Aufgabe. Der exzentrische Keeper hatte gestern in einem Interview bei Sky die Streichung seiner Sonderrechte kritisiert und den Vorstand und die Kollegen angegriffen. „Man kann den Schwachen im Verein schon zuhören, aber man sollte nicht tun, was sie verlangen“, so Lehmann.
Starker Tobak, den sich Gross nicht bieten lassen wird. „Alle müssen das gleiche Ziel haben. Dazu gehört ein guter Teamgeist“, sagte Gross.
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