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VERSCHWEIFUNG

■ Terry Rileys „In C“ als Klangbrücke im Hamburger Bahnhof

Minimal Music stammt wie Minimal Art und Minirock aus den klugen 60ern, als sich Kunst und Kultur der prasserischen Konsumscheiße entgegenstellten, um sich auf das Wesentliche zu beschränken und vom Überflüssigen zu befreien. Aus diesen Zeiten erzählt man sich, daß bei einem Terry-Riley-Konzert in der Nationalgalerie die Atemluft gesättigt vom betörenden Duft bewußtseinserweiternder Rauchwaren gewesen sei - so berauschend war die Atmosphäre am letzten Sonntag nachmittag nicht bei der Aufführung von Rileys „In C“ durch das Minimal Music Ensemble aus Berlin. Dabei empfiehlt es sich, bekifft oder mit dem Hang zum Meditativen begabt zu sein, um diese zarte Musik ohne Blues und Pathos genießen zu können. Wenn man seine Vorbehalte gegen intellektuelle Hochkultur beiseite läßt, aufhört, sich zu fragen, was das nun wieder soll, überhaupt seine ganze gestreßte Denkmaschine des nervösen Städters mal abschalten kann, wird sich der Reiz dieser eintönigen Klangfolgen minimaler Spielfolgen offenbaren: Dann kann man die Augen schließen und sich entführen lassen von Holzbläser, Streicher, Klavier und Tonrepetitor in selbstvergessene Tagträume. Lauschen, wie es plätschert, als treibe man in einer Tonne auf hoher See, wie die Flöte den Ruf von Vögeln imitiert, der tumbe Bass wie ein Bär brummelt. Das alles bleibt sich oft gleich um sich dann zu verändern, fast ohne daß man es bemerkt, weil man sich der Monotonie des vom Tonrepetitor ununterbrochen in Achteln geklimperten fünfgestrichenen C überlassen hat oder sonstwie abgeschweift ist. Das alles ist Seelenkintop aus einer Zeit, als es für New Age noch keinen Begriff und keinen Markt gab. Es wird nicht langweilig, jedenfalls eine gute Stunde lang, und dann kann man auch gut wieder gehen.

fms

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