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VERPACKUNGEN: BESCHISS VOM STALL BIS ZUR LADENTHEKEWider das Betrugskartell

Die Lage der Nation ist eindeutig: 92 Prozent aller Deutschen haben den Herzenswunsch, dass Kälbchen Peter, Ochs, Huhn und Schwein artgerecht aufgezogen werden. Und weil das so ist, bedient die Lebensmittel-Branche auf Etiketten und Verpackungen gezielt die Wünsche und Träume der Verbraucher. Damit niemand mit schlechtem Gewissen sein Einkaufswägelchen vollladen muss. Drinnen im Eier-Sixpack ist Billigware aus tierquälerischer Massenhaltung, draußen auf der Verpackung schlendert das Hühnervolk, von einer rundlich-rotbackigen Bäuerin kommandiert, lässig um den Misthaufen. Und auf dem plasteverschweißten Schinken liegt das Schwein, mit dem Blümchen in der Schnauze, behaglich in der Hängematte. Merke: Unsere Tierhaltung ist wie Mallorca, paradiesisch eben! Je grässlicher die Zustände in Stall und Schlachthof, desto kuscheliger die Verpackung. Sie ist längst eine Art Kondom gegen die Realität.

Statt versprochener Transparenz vom Stall bis zur Ladentheke haben wir also immer noch Beschiss vom Stall bis zum Teller. Vor allem die Eierbranche mit Ussama Pohlmann an der Spitze ist eine tiefmafiose Zunft. Mancher erinnert sich noch an den Eiertest des „Feinschmecker“: Von 20 Eierproben, quer durch die Republik genommen, waren 18 „vorschriftswidrig“. Spitzenquote!

Jetzt wollen Verbraucherschützer, Umwelt- und Tierfreunde gegen den systematischen Betrug auf der Verpackung klagen. Die Juristen haben den Daumen nach oben gestellt, sie sehen gute Chancen, in dem Musterverfahren gegen REWE und die „Landkost-Erzeugergemeinschaft“ wegen Irreführung der Verbraucher zu gewinnen. Die Richter werden allerdings genau hingucken. Der Prozess könnte eine Lawine ins Rollen bringen, weil der Betrug in der Lebensmittelbranche fast die Regel ist. Wir wissen: italienisches Olivenöl kommt zur Hälfte aus Spanien und Nordafrika, Parmaschinken stammt meist vom belgischen Schwein, „Sauerkraut von den Fildern“ wächst gerne in Ungarn, Havelländer Apfelsaft rinnt aus Südtiroler Obst.

Man sollte jetzt aber nicht so tun, als wüssten dies die Verbraucher nicht, als seien sie alle ahnungslose Opfer. Natürlich weiß zumindest jeder Käufer, dass ein Ei für 20 Pfennig aus Quälhaltung kommen muss. Er verdrängt es, Hauptsache billig. Wenn allerdings auf dem Eierkarton statt Wiese und Bauernhof ein Knastsymbol abgebildet wäre, würde ihm diese Verdrängungsstrategie schwerer fallen. Einkaufen hätte wieder mehr mit der Wirklichkeit zu tun. Wir würden womöglich vor lauter Knastsymbolen die Sonderangebote nicht mehr sehen. Von dem Musterprozess darf man keine Agrarwende erwarten, aber vielleicht etwas weniger Beschiss. MANFRED KRIENER

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