Usbekistans Wahlsieger steht längst fest: So fälschen Sie eine Wahl!
Am Sonntag sind in der ehemaligen Sowjetrepublik offiziell Wahlen. Doch die Opposition sitzt fast komplett im Knast. Präsident Islam Karimow kann das Land ausbeuten. Eine Anleitung.
1. Unterdrücken Sie Ihr Land! Nehmen Sie sich ein Vorbild an Islam Karimow. Der hat in Usbekistan ein grausiges Regime aufgebaut und unterdrückt jede Opposition - egal ob weltlich oder religiös. Verhaftungen und Folter sind dort an der Tagungsordnung. Als sehr effektiv und hilfreich erweist sich dabei, unliebsame Männer und Frauen als islamistische Terroristen zu brandmarken. Das rechtfertigt in jedem Fall, sie unter grausamen Bedingungen in Gefängnissen schmoren zu lassen. Zusätzlich knasten Sie dann auch noch ein paar Dutzend Menschenrechtler und Journalisten ein.
Sollte dabei der eine oder andere Gefangener die Torturen nicht lebend überstehen und das dann ärgerlicherweise auch noch öffentlich werden, so wie es bei zwei Lagerinsassen im Jahre 2002 in Usbekistan geschehen ist, müssen Sie Bedauern demonstrieren und versichern, es handele sich um Einzelfälle. Auf eine unabhängige Justiz sollten Sie auf jeden Fall verzichten: Sie sind zuständig für Verurteilungen und Bestrafungen. Volksaufstände gegen Willkür, so wie 2005 in Andischan, müssen Sie sofort mit Panzerwagen niederwalzen lassen. Selbst Massaker an Frauen und Kindern lassen sich immer rechtfertigen. Sie brauchen nur Ihren Joker ziehen: Kampf gegen den internationalen Terrorismus. Klappt garantiert.
2. Beuten Sie das Land aus und lassen Sie es krachen! Ihr Land besitzt Öl, Gas, Gold und Baumwolle? Glück gehabt. Das alles beanspruchen Sie für sich, Ihre Lieben und Unterstützer. Die Farmen haben die Baumwolle abzuliefern und auch die Kinder müssen auf den Feldern schuften, statt nutzlos in der Schule rumzusitzen. So haben schon mal eine erste Milliarde US-Dollar in der Portokasse. Vor allem Ihre Familie soll ordentlich auf den Busch hauen können - so wie die Töchter des usbekischen Präsidenten Lola und Gulnara Karimowa auf wilden Modepartys in Paris. Gut kommt es auch seit Neros Zeiten, wenn ein Tyrann den Massen etwas vorsingt. Dafür nutzen Sie am besten die von Ihnen kontrollierten Staatsmedien, wo Familienmitglieder dann als Popstars auftreten. Und wenn ein Lakai frech wird: Entsorgen Sie ihn einfach durch eine Verurteilung wegen Korruption.
3. Ihre Amtszeit ist vorbei? Egal! Scheren Sie sich nicht um die Verfassung. Sollte ein Artikel Ihre Amtszeit begrenzen oder die Präsidentschaft auf Lebenszeit verbieten, ignorieren Sie ihn einfach, auch wenn Sie irgendwann mal darauf geschworen haben. Vergessen Sie nie: Sie sind ein Despot und dürfen tun, wozu Sie Lust haben. Auch hier ist der usbekische Präsident Karimow wegweisend. Der regiert die Ex-Sowjetrepublik seit 1989 und hat es geschafft, seither nur zwei Wahlen stattfinden zu lassen. Schon zweimal hat er mit Hilfe von satt gefälschten Referenden seine Regentschaft verlängert. Und als dann am 22. Januar 2007 seine Amtszeit auslief, machte er einfach weiter und die Wahlen wurden um zehn Monate verschoben. Nun ist der Urnengang für den kommenden Sonntag angesetzt. Zwar dürfte Karimow laut Verfassung gar nicht auf den Wahlzetteln stehen, weil er schon zwei Amtszeiten hinter sich hat. Aber er ignoriert das ganz souverän. Clever!
4. Lassen Sie keine unabhängigen Medien zu. Am besten lassen Sie von vornherein keine freie Presse zu - dann brauchen Sie sie auch nicht nachträglich zu unterdrücken. In Usbekistan existieren keine legale Zeitungen, Radio- und Fernsehanstalten oder im Land registrierte Internetseiten, die nicht der Staatspropaganda unterliegen.
Damit auch keine ausländischen Korrespondenten rumstänkern, verweigern Sie denen einfach ein Visum oder schmeißen sie raus. Wie man so was effektiv macht, zeigt Usbekistans Umgang mit Radio Free Europe und BBC, die ihre Büros schließen mussten. Über 20 Journalisten wurden genötigt, die Heimreise anzutreten - und wo das nicht möglich war, halfen Zwangsunterbringungen in Krankenheilanstalten oder Gefängnissen. So hat Usbekistans Bevölkerung bis September nichts mitbekommen von den anstehenden Wahlen und dem Ende der Amtszeit des Präsidenten. Sollten Journalisten jenseits der Grenze womöglich auf die Idee kommen, über die Zustände zu berichten, schicken Sie Ihren Geheimdienst los. Dass es dabei auch mal Tote gibt, wie den 26-jährigen Alischer Saipow, der in der kirgisischen Grenzstadt zu Usbekistan Osch erschossen wurde, ist hinzunehmen.
5. Viele Parteien wirken optisch gut - doch bitte keine eigenen Positionen! Weil sich ein Einparteiensystem in den Augen der Weltöffentlichkeit nicht so gut macht, gründen Sie so wie Ihr usbekisches Vorbild am besten gleich fünf Parteien. Deren Vertreter sitzen seit 2004 im Parlament herum und bekommen ihre Anweisungen direkt aus dem Präsidentenamt. Seit diesem Jahr dürfen sie sich nun sogar laut Gesetz als Oppositionsfraktion bezeichnen, und Karimow forderte die Abgeordneten sogar auf, ihn doch bitteschön zu kritisieren. Doch ein Abgeordneter wies dieses Anliegen zurück: Man würde ja gerne - aber an einem solchen Präsidenten wie Karimow gäbe es nun mal rein gar nichts auszusetzen.
6. Bauen Sie Gegenkandidaten von Ihren Gnaden auf! Auch ein paar Pappkameraden bei den Präsidentschaftswahlen sind hübsche Staffage. So hat Islam Karimow vier Gegenkandidaten als handverlesene Sparringspartner, um eine Alternativwahl vorzutäuschen. Natürlich dürfen die drei Männer und eine Frau den Amtsinhaber nicht kritisieren oder womöglich sagen, dass sie selbst an seiner Stelle Präsident werden wollen. Gleichwohl ist das Ganze für die Scheingegner nicht völlig ohne Risiko. Bei den letzten Präsidentschaftswahlen, die im Jahr 2000 in Usbekistan stattfanden, antwortete der Zählkandidat Abduchafis Dschalolow treuherzig auf die Frage eines Journalisten, für wen er denn stimme: "Für den Präsidenten Karimow natürlich." Diese Antwort war dann doch nicht erwünscht und beendete Dschalolows Karriere jäh.
7. Schenken Sie sich den Wahlkampf und zelebrieren die Vorwahlzeit. Wo es weder echte Alternativkandidaten noch eine freie Presse oder legale und aktionsfähige Oppositionsparteien gibt, kann man getrost auf einen Wahlkampf verzichten. Nutzen Sie stattdessen die Vorwahlzeit dafür, dass die von Ihnen auserkorenen Gegenkandidaten vorgegebene Slogans im staatlichen Fernsehen herunterbeten. Kritik am Präsidenten ist selbstverständlich tabu. Vielmehr müssen sich die Redner darin überbieten, den herrschenden Präsidenten und seine Regierungsweisheit zu preisen. Die Staatsmedien sollten den Wahltag als ein Fest des Patriotismus feiern, der einmal mehr die erfolgreiche Reformpolitik des Präsidenten belege. Auch sollte man in der Vorwahlzeit die Webseiten der Botschaften nutzen, um aller Welt zu erklären, dass die anstehenden Wahlen so frei sein werden wie sonst nirgendwo und alle demokratischen Standards sogar noch übertroffen werden. Gucken Sie einfach einmal auf www.uzbekistan.de nach - da sehen Sie, wie so etwas geht.
8. Wichtig ist nur, was hinten rauskommt. Stalins Weisheit, "nicht das Wählen, sondern das Zählen" sei bei einer Wahl wichtig, bleibt die Grundregel. Das Zauberwort heißt "administrative Ressourcen". Geben Sie allen staatlichen Institutionen wie Verwaltungen, Schulen, Unis und Behörden die Anweisung, das vorher mitgeteilte Ergebnis zu erzielen. Da die Wahlkommission Ihnen treu ergeben ist, ist von dort kein Widerstand zu erwarten. Auch eine unabhängige Bürgergesellschaft haben Sie ja klugerweise - siehe Punkt 1 und 4 - eliminiert, so dass Sie auch von dort keine lästigen Gegenkontrollen zu befürchten haben. Sollten unzufriedene Bürger auf ihr Kreuzchen verzichten, ist das nicht weiter wichtig. Die hohe Wahlbeteiligung haben Sie ja vorher bereist festgelegt. Wie viele Leute dann tatsächlich an den Urnen auftauchen, ist unwichtig.
9. Geben Sie Ihren Wahlbeobachtern Zucker! Da sich Vertreter der OSZE eigentlich immer kritisch über den Verlauf von Wahlen äußern, ist es nicht schlimm, wenn sie in einer Kleingruppe anreisen. Wer will ihr Gejammere schon hören? Am besten lädt man sich, so wie in Usbekistan üblich, Beobachter aus Europa und den USA zu den Urnengängen ein - üblicherweise sind das Politiker, Wissenschaftler und Geschäftsleute. Die sollten dem Regime überwiegend aufgeschlossen gegenüberstehen.
Man bezahlt ihre Anreise und Unterkunft und lässt sich im Gegenzug bescheinigen, dass die Wahlen fair und demokratisch abgelaufen sind. Die Beobachtungen der Emissäre sind dann in den Staatsmedien - andere sollte es nicht geben, siehe Punkt 4 - ausführlich zu zitieren.
10. Preisen Sie sich selbst und schüren Sie Angst vor Islamismus! Auch in diesem letzten Punkt sollten Sie noch einmal einen Blick auf Präsident Karimow werfen: Er lobt die eigene Herrschaft als eigenen Weg und schimpft auf den westlichen Werteverfall. Besonders gleichgeschlechtliche Ehen sind ihm ein Gräuel. Mit Slogans wie "Wir sind nicht schlechter als die anderen" und "Wir sind von keinem abhängig" beschreibt er seinen Kurs.
Ansonsten gilt es, wie Ihr Vorbild Karimow die Islamistenangst zu nutzen. Mit dem Hinweis, dass bei einem Verzicht auf Folterwerkzeuge womöglich Bärtige das Ruder übernehmen könnten, kriegt man internationale Kritiker schnell handzahm. Besonders effektiv ist es, einem wichtigen EU-Land einen militärischen Stützpunkt zu genehmigen. So ist in Usbekistan die deutsche Luftwaffe präsent - eine wundervolle Voraussetzung, um vor ernstzunehmender Kritik gefeit zu sein. Und wenn dann noch eine Frau wie die SPD-Abgeordnete Hedi Wegener die Dialogbereitschaft der bei Ihnen Herrschenden preist, dann haben Sie auf ganzer Linie gesiegt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Abschiebung erstmal verhindert
Pflegeheim muss doch nicht schließen
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
Künstler Mike Spike Froidl über Punk
„Das Ziellose, das ist doch Punk“
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Slowakischer Regierungschef bei Putin im Kreml
Negativity Bias im Journalismus
Ist es wirklich so schlimm?