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Urwahl-Vorsprechen der GrünenLinke gewinnen Speeddating

Beim Schaulaufen für die grüne Spitzenkandidatur gibt es Sympathien für Renate Künast. Ihre Kontrahenten Roth und Trittin kommen bei der Basis aber besser an.

Grüne Gemütszustände in der Kalkscheune (v. l. n. r.): Gottvertrauen (Göring-Eckardt), Entschlossenheit (Künast), Zweifel (Roth), Vorfreude (Trittin). Bild: dapd

Eindeutige Avancen für Renate Künast hat das zweite Urwahlforum der Grünen am Sonntagabend in Berlin gebracht. „Ich würde es am liebsten mit ihr machen“, sagte Werner Winkler, weithin unbekannter Kandidat für die Spitzenkandidatur der Partei bei der Bundestagswahl 2013. „Sie kann besser reden, ich habe die besseren Ideen.“

Winkler, Künast und 10 andere der 15 Kandidaten stellten sich in der Kalkscheune mehreren hundert Mitgliedern vor. Eingeladen hatten die Landesverbände Berlin und Brandenburg. Es war das zweite Forum nach dem Auftakt in Hannover. Mitte Oktober bestimmen bundesweit rund 60.000 Grünen-Mitglieder per Briefwahl das Duo, das die Partei im Wahlkampf anführen soll.

Ob die bei der Berlinwahl im letzten Herbst gescheiterte Künast dabei sein wird, ist trotz des Sympathiebeweises von Basis-Kandidat Winkler ungewiss. Zwar hat sie die Unterstützung der meisten Kreisverbände und bekam am Sonntag viel Applaus für ihre Forderungen – unter anderem nach bezahlbaren Mieten und der Auflösung der Verfassungsschutzämter. Lauter fiel der Beifall aber für ihre Promi-Kontrahenten Jürgen Trittin und Claudia Roth aus.

Trittin nutzte seinen 2-Minuten-Slot zur Selbstvorstellung, um eine gesetzliche Quote für Frauen in Spitzenpositionen in der Wirtschaft zu fordern: „Es kann nicht sein, dass das begabtere Geschlecht in diesem Land durchschnittlich ein Viertel weniger verdient als die Männer.“

Roth punktete mit Berlin-Bezügen: Sie kritisierte Klaus Wowereit (SPD) für sein Versagen beim Flughafenneubau. „Wie kann es sein, dass das einzig funktionierende Gebäude der Abschiebeknast ist?“ Außerdem griff sie CDU-Innensenator Frank Henkel an: Der wolle den Skandal um die Neonazi-Terrorzelle NSU „wegschreddern“.

Das Berufspolitikerquartett aus Trittin und Künast, Parteichefin Roth und Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt setzte sich eindeutig besser in Szene als die unbekannten Vertreter der Basis. Nur wenige Parteimitglieder nutzen die Möglichkeit, den Nobodys Fragen zu stellen.

Ein echtes Talent

Trotzdem: Am 22-jährigen Basis-Kandidaten Nico Hybbeneth scheint sich zu zeigen, warum sich der Entschluss der Grünen zu einer Urwahl auszahlen könnte, auch wenn am Ende kein Unbekannter das Rennen für sich entscheidet: weil sie in dem jungen Marburger Politikstudenten ein vielversprechendes Polittalent entdeckt haben dürften. Bei seinem ersten Auftritt beeindruckte er durch sichere Rede und progressive Inhalte, etwa die Forderung nach einem bedingungslosen Grundeinkommen. „Die Grünen werden heute als spießig wahrgenommen“, sagte Hybbeneth. „Jede Stimme für mich ist eine Stimme für den Generationswechsel.“ Dafür erntete er Applaus und Gejohle.

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14 Kommentare

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  • M
    mdarge

    Ohne hier besserwisserisch zu klingen, mein Tipp für Katrin Göring-Eckardt war gar nicht so schlecht. Aufmerksame Journalisten hätten den Trend auch früher merken können. Anscheinend war das Ergebnis in bestimmten Kreisen nicht gewollt und die Berichterstattung orientierte sich nach dem Wunsch der Redaktion.

  • B
    BerndJoel

    Begabteres Geschlecht? Wenn dann schon Gender. Vielleicht eine bessere Anpassungsfähigkeit, womit es sich im Schulsystem sehr oft eine bessere Note "verdient". Ob dies allerdings zu besseren Entscheidungen führt, wage ich doch zu bezweifeln.

  • M
    mdarge

    Künast oder Claudia Roth? Neue Ideen können doch nur mit Katrin Göring-Eckardt kommen. Zudem segelt sie auf Realo-Ticket, vertritt aber soziale Politik. Damit stellt sie das Gegenkonzept zu Roth dar, die zwar als Speerspitze der Fundis gilt, sich dabei bei den Schickimickis gefällt. Außer warmen Worten kann sie den Benachteiligten wenig bieten.

  • P
    PeterWolf

    @Piefke

    Sie wollen doch wohl nicht das Geschlecht auf genetische Ursachen zurückführen?

    Das Geschlecht ist ausschließlich das Produkt der Sozialisierung!

    Jürgen Trittin versucht doch nur, mit Komplimenten das weibliche , äh, Geschlecht? zu umgarnen. Oder so. Oder nicht.

  • P
    Piefke

    Aus einem "begabteren Geschlecht" wird anderswo auch schnell eine "überlegene Hautfarbe". Wo ist da der Unterschied zwischen einem Trittin und einem Sarrazin der Intelligenz genetisch begründet?

    So ein Bullshit!

  • P
    peterman

    Die integerste ist Renate Künast, untrügliches Zeichen: erzkonservative Medien versuchen sie mit polemischen Kampagnen niederzumachen und Evangelikale können sie nicht leiden (die unterstützen C. Roth). Künast vertritt am konsequentesten wichtige unbequeme Standpunkte, sie hat noch Idealismus.

  • NW
    Na wer soll denn 2013 dein Herzblatt sein?

    Die grüne Anti-Kriegs-Partei die seit Jahren die Freiheit Deutschlands am Hindukusch verteidigt und auch sonst jedes Verbrechen der sPD mit getragen hat?

    Oder lieber die sPD? Welche die Finanzmärkte entfesselte, den Spitzensteuersatz senkte und im Gegenzug die Agenda 2010 über dieses Land brachte?

    Oder lieber gleich die CDU aka Murxel...äh Merkel, die gerade dabei ist, nicht nur Deutschland, sondern gleich die ganze EU an die Wand zu fahren?

    Wen haben wir da noch.

    Achja die Mövenpick Partei aka die "Fast-Drei-Prozent-Partei" .Wer diesem Lobby Verein seine Stimme gibt, dem ist wirklich nicht mehr zu helfen.

    Was bleibt sonst noch übrig?

    Böse "Alt Kommunisten" (lol) aus West und Ost, "Computer Nerds" und "Sonstige".

    Bald musst du dich entscheiden...

  • SS
    Sonja Sonnenblume

    "Linke gewinnen Speeddating".Soso. - Welche angeblich linken Positionen vertreten Frau Roth und Herr Trittin

    denn? Das wurde u.a. in der taz noch nie erläutert.

     

    Alle zur Wahl stehenden Promis, auch Roth und Göring-Eckhardt machen seit 1998 eindeutig neoliberale Politik. Sie sind damit für sozial - ökologisch orientierte Wählerinnen eindeutig unwählbar.

     

    Mich hätten die politischen Positionen aller unbekannten grünen Basis - Kandidaten interessiert.

  • T
    Telecontrol

    trittin ist ferngesteuert.. :

    http://www.heise.de/tp/artikel/37/37059/1.html

     

    Wer bei diesem Club mitmacht hat mit den Interessen der 'Durchschnittsbürger' nix am Hut. Soviel ist sicher.

     

    Dass die Grünen ihn hierfür nicht längst gefeuert haben, macht diese Partei unwählbar.

     

    Wenn man dieses Kriterium anlegt, bleiben nicht mehr viele wählbare Parteien.

     

    Sucht euch eine aus.

  • AG
    Anton Gorodezky

    Ich werde die Grünen zwar eh nicht wählen, aber wenn sie sich Frau Roth als Spitzenkandidatin aussuchen, machen sie mir das nochmal etwas leichter. Die Frau ist doch einfach nur peinlich.

  • E
    espressoboy

    Ich würde mich freuen, wenn die TAZ die weithin unbekannten und schon vorab abgeschriebenen Neupolitiker porträtieren würde.

     

    Es wäre doch sehr spannend zu wissen, wer das ist und wofür diese Personen stehen.

     

    Wenn die Medien nur die etablierten Politiker erwähnen und darstellen, haben die Herausforderer eine ähnlich gute Chance wie die Opposition Weißrusslands.

  • A
    Abrakadabra

    Künast - nein danke. Claudia Roth - bitte sehr; sehr gern! Frau Künast ist behindertenpolitischen Themen gar nicht aufgeschlossen gegenüber. Kalt eben. Das wirkt auf manche, wie mich, berechnend und nicht WählerInnenschaft berücksichtigend.

    Frau Künast kann nicht Bildung und kann nicht Behindertenthemen beackern, das hat sie mehrmals öffentlich zum Ausdruck gebracht.

  • R
    ralf

    Frau Künast und Herrn Trittin wünsche ich viel Erfolg, sollten sie sich durchsetzen werde ich wieder grün wählen.

  • K
    Kimme

    Die Aussage Trittins: „Es kann nicht sein, dass das begabtere Geschlecht in diesem Land durchschnittlich ein Viertel weniger verdient als die Männer.“ mag vielleicht auf ihn zutreffen, aber sie ist in ihrer Verallgemeinerung einfach nur dämlich, beleidigend und diskriminierend. Es ist unglaublich verallgemeinernd und reduziert das Individuum in Bezug auf seine Leistungsfähigkeit nur auf sein Geschlecht. Ich dachte diese Phase haben wir hinter uns gelassen. Männer und Frauen abzusprechen etwas zu können oder nicht bzw. etwas besser oder schlechter zu können ist einfach nur dumm, dass hat in etwa das Niveau, wenn sich Dieter Bohlen hinstellt und sagt, dass die Frau in die Küche und ins Schlafzimmer gehört. Einfach nur wiederlich. Mit solchen Worten sollte sich dieser Herr selbst disqualifiziert haben und zwar bei jedem Menschen, der für Gleichberechtigung ist und Euthanasie ablehnt.