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Urteil zu SchwimmunterrichtBurkini ist zumutbar

Ein muslimisches Mädchen muss am Schwimmunterricht mit Jungen teilnehmen. Das Tragen eines Burkinis sei zumutbar, urteilte das Verwaltungsgericht Kassel.

Staatlicher Erziehungsauftrag: Diese Mädchen schwimmen nicht im Burkini - allerdings auch nicht mit Jungen. Bild: dpa

KASSEL epd | Muslimischen Schülerinnen kann im Schwimmunterricht das Tragen eines Ganzkörper-Badeanzugs (Burkini) zugemutet werden. Eine Befreiung vom Unterricht ist dann nicht möglich, urteilte am Freitag der Hessische Verwaltungsgerichtshof in Kassel. Das Grundrecht auf Religionsfreiheit müsse hier teilweise zurücktreten, entschieden die Richter. Sie ließen Revision zum Bundesverwaltungsgericht in Leipzig zu. (AZ: 7 A 1590/12)

In dem Rechtsstreit hatte sich eine heute zwölfjährige muslimische Schülerin 2011 geweigert, zusammen mit Jungen am Schwimmunterricht teilzunehmen. Das aus Marokko stammende Mädchen besuchte ein Gymnasium in Frankfurt am Main. Es begründete die Weigerung mit seiner im Grundgesetz geschützten Religionsfreiheit. Die Bekleidungsvorschriften im Koran würden einen gemeinsamen Schwimmunterricht mit Jungen nicht erlauben.

Auch das Tragen eines Ganzkörperbadeanzugs, den Burkini, den einige muslimische Mädchen beim Schwimmen tragen, komme für sie nicht infrage. Ihr Religionsverständnis verbiete es, Jungen in Badehosen und mit nacktem Oberkörper ansehen zu müssen. Außerdem könne es im Bad zu unbeabsichtigten Berührungen kommen, argumentierte das Mädchen.

Das Land Hessen verwies auf den im Grundgesetz verankerten staatlichen Erziehungsauftrag. Die Schülerin könne sich zwar auf ihre Religionsfreiheit und die Eltern auf ihr Erziehungsrecht berufen, mit dem Tragen des Burkinis werde den religiösen Belangen indes ausreichend Rechnung getragen.

Religionsfreiheit muss teilweise zurücktreten

Schule finde nun mal nicht im isolierten Raum statt, hieß es. Auch im normalen Alltag müsse die Schülerin mal leichter bekleidete Menschen ertragen. Außerdem würden auch andere muslimische Mädchen am Gymnasium einen Burkini tragen.

Das Gericht gab dem Land recht. Die Religionsfreiheit müsse hier teilweise zurücktreten. Die Eltern und die Schülerin hätten sich Deutschland als Lebensmittelpunkt ausgesucht. Da sei es hinzunehmen, dass die Schülerin im Schwimmunterricht auch nackte Oberkörper von Jungen sieht.

Das Bundesverfassungsgericht habe zudem in mehreren Entscheidungen klargestellt, dass der staatliche Erziehungsauftrag dem Vermitteln von sozialer Kompetenz im Umgang mit Andersdenkenden dient. Dem dürfe sich auch die Schülerin nicht entziehen.

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12 Kommentare

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  • K
    Khadusch

    "wenn mir mein religion so wichtig ist dann werde ich da leben wo ich am besten mein religion ausüben kann."

     

    Leider gibt es Menschen, die nicht die Möglichkeit haben in ihrem Heimatland zu leben. Ebenso wenig wie wir von allen Juden erwarten nach Israel zu emigrieren, oder von den Christen in den Vatikanstaat zu ziehen kann doch wohl von Muslimen erwartet werden dass diese in ein islamisches Land ziehen.

     

    Jährlich konvertieren mehrere 1000 Deutsche zum Islam. Wo sollen die denn hin??? Und was ist mit den hoch gebildeten Muslimen, die unsere Wirtschaft am Laufen halten???

     

    Manch einer sollte sich vielleicht noch einmal die deutsche Verfassung durchlesen oder gar einen Integrationskurs besuchen um zu verstehen dass die Religionsfreiheit für ALLE Religionen in diesem Land an oberster Stelle steht. Und das hat seine Gründe...

     

    Wer das nicht akzeptieren möchte, dem steht es dann ja frei sich besipielsweise in ein kommunistisches Land zu begeben, wo auf diese Werte kein Wert gelegt wird!!!

     

    "Das soll wahrhaftig der Islam gebieten? Mir kommen da arge Zweifel. Es gibt da doch auch Frauen islamischer Religion, die einen ganz normalen Badeanzug nutzen, um mit Gruppen schwimmen zu gehen, in denen eben auch bekannte Männer sind und sogar unbekannte Männer sie sehen werden."

     

    Natürlich gibt es Migranten, die von der allgemeinen Bevölkerung als Muslime angesehen werden, nur weil sie z.B. ursprünglich aus der Türkei kommen, die Im Bikini schwimmen gehen, die Schweinefleisch essen oder Alkohol trinken.

    Nun aber rückwärts den Schluss zu ziehen dass dies also islamisch korrekt oder gar mit dem Koran vereinbar sei, käme doch wohl der Schlussfolgerung gleich dass voreheliche Beziehungen, Abtreibungen und Verhütung der Bibel entstammen würden, nur weil sich viele "Christen" in Deutschland so verhalten.

  • KS
    Kathrin Siebert

    Oh Gott!

    Abgesehen davon, dass sich das wahrscheinlich keine himmlische Herrschergestalt so etwas ausdenken würde - denn auf so was kommen nur Menschen, fragt man sich, wo wir eigentlich leben?

    Die ganze Umwelt ist voller halb-, teil- und gar nicht bekleidete auf Plakatwänden im Fernsehen. Wenn der menschliche Körper so igitt ist, kann die Ärmste ja nur mit geschlossenen Augen durchs Leben wandeln.

  • S
    Selbstdenker

    Thierse kann da bestimmt ein neues Gesetz erfinden, das Schulleitungen zeigt, wo es lang zu gehen hat!

  • D
    donya

    ich finde daß in marokko null tolerant zeigen was religionfreiheit angeht,wenn mir mein religion so wichtig ist dann werde ich da leben wo ich am besten mein religion ausüben kann.

  • C
    Chandrika

    >>> Zudem hatte er mit dem Anblick der anderen Jungen und Mädchen argumentiert. Dies verletze ihr Schamgefühl. Die Klägerin sagte: „Ich möchte Jungen nicht in kurzer Bekleidung sehen. Ich mag sowas nicht.“ Das ließ der 7. Senat nicht gelten. Die Schülerin wolle Ärztin werden.

  • L
    Lars

    @ Anton Gorodezky: Nicht "jetzt". Die Sache mit der langen Badehose gibts schon lange. Nur mal zur Richtigstellung. Ich habe zusätzlich noch so meine Zweifel, wegen der Sicherheit. Wie will man mit Burkinis schwimmen? Kann mir vorstellen, daß das wahnsinnig Kraft kostet.

  • W
    Weetergast

    Natürlich bedeutet es das; in Deutschland gelten deutsche Gesetze.

    Wenn man sich allerdings anschaut, was deutsche Beamte und -innen z.B. in Sachen Vaterentsorgung verzapfen (Glashaus und Steine), erscheint die wünschenswerte Toleranzspanne doch deutlich größer.

  • A
    Anita

    Also fassen wir zusammen: Sportunterricht ist wichtiger als Religion, Religion ist wichtiger als koerperliche Unversehrtheit.

     

    WTF?

  • C
    Celsus

    Das soll wahrhaftig der Islam gebieten? Mir kommen da arge Zweifel. Es gibt da doch auch Frauen islamischer Religion, die einen ganz normalen Badeanzug nutzen, um mit Gruppen schwimmen zu gehen, in denen eben auch bekannte Männer sind und sogar unbekannte Männer sie sehen werden.

     

    Ich könnte es als gleichgültig wegschieben, wenn mir nicht Mädchen mit solchen Eltern leid tun würden.

  • E
    emil

    religion schützt vor schulpflicht nicht. staat und kirche gelten bisweilen auch als getrennt.

  • AG
    Anton Gorodezky

    Und jetzt kommt das Schwimmbad, und verbietet das tragen von Burkinis aus hygienischen Gründen (so wie das Tragen langer Hosen auch). Nein, nur ein kleiner Scherz.

     

    Ich bin gespannt, was die Leipziger dazu sagen werden. Dass die Religionsfreiheit und das Erziehungsrecht der Eltern schon auch mal eingeschränkt werden, dürfte auch in einigen anderen Debatten ein sinnvoller Hinweis sein.

     

    Möglicherweise wird die junge Frau nämlich eines Tages überlegen müssen, ihre eigenen Kinder zu beschneiden.

  • T
    Toll!

    "Die Eltern und die Schülerin hätten sich Deutschland als Lebensmittelpunkt ausgesucht. Da sei es hinzunehmen, dass die Schülerin im Schwimmunterricht auch nackte Oberkörper von Jungen sieht."

     

    Gilt es dann auch hinzunehmen:

     

    - Das es Meinungsfreiheit gibt?

    - Das es keine Vielehen gibt?

    - Das Frauen ihre Männer selber aussuchen?

    - Das eine Scheidung für eine Frau nicht den Tod, durch die eigenen Onkel und/oder Brüder bedeutet?

     

    Na ich bin gespannt!