Urteil in Frankreich: Passentzug ist „verfassungskonform“
Der französische Verfassungsrat hat ein Urteil gefällt: Demnach ist der Entzug der Staatsbürgerschaft von Terror-Verurteilten rechtens.
PARIS afp | Wegen Terrorvergehen verurteilten Straftätern kann die französische Staatsbürgerschaft entzogen werden. Eine entsprechende Passage im Bürgerlichen Gesetzbuch Frankreichs sei „verfassungskonform“, urteilte der französische Verfassungsrat am Freitag in Paris. Das Gesetz erlaubt den Entzug des Passes bei eingebürgerten Franzosen, die wegen terroristischer Straftaten verurteilt wurden.
Voraussetzung ist aber, dass der Verurteilte dadurch nicht staatenlos wird, also noch einen anderen Pass hat. Die französische Regierung hat deutlich gemacht, nach der islamistischen Anschlagsserie im Anti-Terror-Kampf verstärkt auf diese Maßnahme zurückgreifen zu wollen.
Der Verfassungsrat befasste sich konkret mit dem Fall eines Franko-Marokkaners, der im März 2013 wegen der Bildung einer kriminellen Vereinigung im Zusammenhang mit einem terroristischen Vorhaben zu sieben Jahren Haft verurteilt worden war. Er soll junge Männer für den Kampf im Irak, in Afghanistan, in Somalia und in der Sahel-Zone rekrutiert haben.
Der in Casablanca geborene Mann hatte 2003 neben der marokkanischen auch die französische Staatsbürgerschaft angenommen. Sie wurde ihm nach seiner Verurteilung per Dekret entzogen. Der in Haft sitzende Mann zog dagegen bis vor den Verfassungsrat. Sein Anwalt argumentierte, durch den Gesetzesartikel werde die Gleichheit zwischen gebürtigen Franzosen und Eingebürgerten verletzt.
Wird die „Nationale Unwürdigkeit“ wieder eingeführt?
Der Verfassungsrat erklärte dagegen, die unterschiedliche Behandlung sei durch das Ziel der Terrorismusbekämpfung gerechtfertigt und verstoße „nicht gegen den Grundsatz der Gleichheit“. Die Aberkennung der Staatsbürgerschaft sei als Strafe bei Terrorvergehen zudem nicht unverhältnismäßig. Ähnlich hatten die Verfassungshüter schon 1996 geurteilt.
Über den Umgang mit gewaltbereiten Islamisten wird in Frankreich seit der islamistischen Anschlagsserie vor zwei Wochen mit 17 Todesopfern heftig diskutiert. Premierminister Manuel Valls sagte am Mittwoch, es stelle sich die „legitime Frage nach den Konsequenzen für diejenigen, die die Nation angreifen, zu der sie gehören, weil sie dort geboren oder von ihr aufgenommen wurden“.
Für französische Islamisten ohne zweiten Pass wird derzeit diskutiert, den Straftatbestand der „Nationalen Unwürdigkeit“ wieder einzuführen. Diesen Straftatbestand gab es bislang nur während der Französischen Revolution und während des Zweiten Weltkriegs für Kollaborateure.
Er sieht einen Entzug bürgerlicher Rechte wie das Wahlrecht oder ein Verbot bestimmter Berufe etwa im Staatsdienst vor. Frankreichs Ex-Staatschef Nicolas Sarkozy hat eine Wiedereinführung der „Nationalen Unwürdigkeit“ vorgeschlagen, der sozialistische Premier Valls nahm dies später auf.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen