Urteil in Antalya: Bewährungsstrafe für Marco W.
Ein türkisches Gericht hat den Deutschen Marco Weiss am Mittwoch wegen sexuellen Missbrauchs einer britischen Jugendlichen zu zweieinhalb Jahren Haft auf Bewährung verurteilt.
HANNOVER dpa | Trotz des Vorwurfs, er habe eine 13-Jährige im Türkei-Urlaub sexuell missbraucht, war die Liste der politischen Fürsprecher für den Schüler Marco aus Uelzen (Niedersachsen) lang und prominent: Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD), Landesvater Christian Wulff (CDU), SPD-Bundestagsfraktionschef Peter Struck und EU-Kommissar Günther Verheugen (SPD) traten für den Jungen ein, der insgesamt 247 Tage in einem türkischen Gefängnis in Untersuchungshaft saß. Als die Bundesregierung schließlich die sofortige Freilassung Marcos forderte, stellte der Fall die deutsch-türkischen Beziehungen auf eine harte Probe. Die Türkei fühlte sich schließlich genötigt, an die Unabhängigkeit ihrer Justiz zu erinnern. Am Mittwoch nun wurde Marco in Antalya zu einer Bewährungsstrafe von zwei Jahren, zwei Monaten und 20 Tagen Haft verurteilt.
"Die Einmischung war bestimmt nicht immer hilfreich. Den Prozess gegen den Jungen dürften sie aber nicht beeinträchtigt haben. Denn dies hieße ja, dass die türkische Justiz beeinflussbar wäre", sagte Dirk Halm vom Zentrum für Türkeistudien in Essen. Zumindest beeindruckt schien das Gericht in Antalya zwischenzeitlich aber zu sein. Auf Antrag des Generalstaatsanwaltes in Antalya verhängten die Richter eine Nachrichtensperre zum Schutz der Rechte des Minderjährigen.
Der damals 17 Jahre alte Schüler war im Osterurlaub 2007 an der türkischen Riviera festgenommen worden. Die Mutter des Mädchens hatte ihn angezeigt, weil er ihre Tochter vergewaltigt haben sollte. Noch in der Hotellobby wurde er von Polizisten abgeführt. Marco bestritt die Vorwürfe und sprach von einvernehmlichen Zärtlichkeiten. Außerdem soll das Mädchen ihm gesagt haben, es sei schon 15 Jahre alt. Erst nach acht Monaten wurde er freigelassen und durfte zu seiner Familie nach Deutschland zurückkehren.
Der SPD-Europaabgeordnete Vural Öger gibt deutschen Politikern gar eine Mitschuld an der langen Untersuchungshaft. Türkeifeindliche Politiker hätten den Fall instrumentalisiert. Dies habe dazu geführt, dass die türkische Justiz ihre Unabhängigkeit in besonderem Maße unter Beweis gestellt habe, sagte der deutsch-türkische Reiseunternehmer.
Vor allem die Bedingungen in dem türkischen Gefängnis hatten in Deutschland für Aufregung gesorgt. Der 17-Jährige musste sich zu Beginn seiner Haft mit 30 anderen ausländischen Gefangenen eine Zelle, eine Dusche und eine Toilette teilen. Seine Eltern durften ihn nur ein Mal pro Woche besuchen und waren von ihrem Sohn durch eine Glasscheibe getrennt. "Ich finde mich einfach nicht damit ab, dass ein junger Deutscher unter unmöglichen Umständen und in unmöglichen Zuständen in einem türkischen Gefängnis festgesetzt wird", hatte der luxemburgische Regierungschef Jean-Claude Juncker gesagt und die Türkei sogar vor Konsequenzen gewarnt.
Neben dem juristischen und politischen Tauziehen sorgte aber auch Marco selbst für erheblichen Wirbel. Ein Jahr nach seiner Haftentlassung veröffentlichte er das Buch "Marco W. - meine 247 Tage im türkischen Knast" - mitten in dem noch laufenden Verfahren. Darin beschreibt er sein Schicksal vom Urlaubsflirt mit der 13-Jährigen über die Festnahme bis zu den Haftumständen. Seine beiden deutschen Anwälte legten daraufhin ihr Mandat nieder. "Wir hatten ihm dringend geraten bis zum Prozessende mit der Veröffentlichung zu warten", betonte Anwalt Michael Nagel aus Hannover.
Das Buch stand eineinhalb Monate auf sämtlichen Bestsellerlisten, bis jetzt gingen gut 35 000 Exemplare über die Ladentheke. "Marco steht nach wie vor voll hinter dem Erscheinungstermin", sagte Carlos Schumacher vom Hamburger Kinderbuch Verlag. Die Veröffentlichung sei von Anfang an zum Jahrestag der Haftentlassung geplant gewesen. Die Befürchtung, in dem Buch könnte die Gegenpartei weitere Beweise gegen den Jungen finden, hat sich nicht bewahrheitet. Der Anwalt des Mädchens hatte nach eigenen Angaben kein belastendes Material gegen Marco gefunden.
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