Urteil im Inzest-Prozeß: Lebenslang für Fritzl
Das Gericht spricht den Angeklagten im Fall Amstetten in allen Punkten schuldig. Das umfassende Geständnis von Fritzl bewerteten die Geschworenen nicht als strafmildernd.
![](https://taz.de/picture/358069/14/fritzl_f.jpg)
WIEN taz Lebenslang für Josef Fritzl. Diesen Spruch fällte das Richterkollegium im St. Pöltner Schwurgericht Donnerstag am frühen Nachmittag. Die acht Geschworenen hatten den Angeklagten zuvor in geheimer Abstimmung in allen Anklagepunkten für schuldig befunden. Der Spruch der Laienrichter, die acht Haupt- und drei Nebenfragen beantworten mussten, erging einstimmig. Begründen müssen Geschworene ihre Entscheidung nicht.
Mord durch Unterlassung, Vergewaltigung, Blutschande, Freiheitsentziehung, schwere Nötigung und Sklavenhandel. All diese Tatbestände erfüllte Josef Fritzl, als er seine Tochter jahrzehntelang vergewaltigte, ein Vierteljahrhundert im Keller wie eine Sexsklavin hielt und mit ihr sieben Kinder zeugte, von denen drei bis vor einem Jahr das Tageslicht nicht kannten. Die Geschworenen sahen es auch als erwiesen an, dass er im Jahre 1996 den Tod eines Zwillings durch Unterlassung herbeigeführt hat. Fritzl wird damit den Rest seiner Tage hinter Mauern verbringen, denn die gleichzeitige Einweisung in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher verhindert jede vorzeitige Entlassung. Da der Verurteilte gleich nach der Urteilsverkündung auf jedes Rechtsmittel verzichtete, ist der Spruch rechtskräftig.
Damit hat sich Staatsanwältin Christiane Burkheiser auf ganzer Linie durchgesetzt. "Der letzte Vorhang des Dramas ist gefallen". Mit diesen Worten hatte sie am Vormittag ihr Plädoyer geschlossen, in dem sie für Josef Fritzl "Lebenslänglich" verlangte: "Es war Mord durch Unterlassung. Daher fordere ich die Höchststrafe". Von seinem reumütigen Geständnis am Vortag sollten sich die Geschworenen nicht täuschen lassen, warnte die erst 33jährige Vertreterin der Anklage. Er habe seine Tochter wie sein Eigentum behandelt und damit auch den Tatbestand der Sklaverei erfüllt.
Ähnlich argumentierte auch die Opferanwältin Eva Plaz. Fritzl habe vor Gericht seine Strategie geändert, weil er seine eigene Glaubwürdigkeit durch die Aussage seiner Tochter erschüttert sah. "Glauben Sie dem Angeklagten auch weiterhin kein Wort. Er hat sich zum Herren über Leben und Tod gemacht", appellierte Plaz an die Geschworenen.
Verteidiger Rudolf Mayer, der der Presse einmal mehr von Morddrohungen gegen seine Person berichtet hatte, sah die Sache naturgemäß anders. Das Geständnis seines Mandanten am Mittwoch sei keine Täuschung gewesen. Allerdings sei sein Schuldbekenntnis für den Tod seines kurz nach der Geburt im Kellerverlies gestorbenen Kindes/Enkelkindes nicht als Mordgeständnis zu verstehen. Denn technisch gesehen handle es sich nicht um Mord durch Unterlassung, sondern um "Imstichlassen eines Verletzten mit Todesfolge". Und darauf steht nach österreichischem Recht nicht Lebenslang, sondern nur dreijährige Haft. Außerdem müssten das Geständnis und auch die durch unverarbeitete Traumata aus der Kindheit bedingte psychische Abnormität als Milderungsgründe gesehen werden.
Mayer bestätigte außerdem ein Gerücht, wonach die Tochter des Angeklagten am Mittwoch bei der Vernehmung ihres Vaters im Gerichtssaal anwesend gewesen sei. Schon vorher sei Fritzl "sichtlich verfallen". Als er seine Tochter auf der Zuschauertribüne gesehen habe, "war's mit ihm ganz aus".
Auch der Angeklagte selbst wandte sich noch einmal an die Geschworenen und die Öffentlichkeit: "Ich bereue es aus ganzem Herzen, was ich meiner Familie angetan habe. Ich kann es leider nicht mehr gutmachen. Ich kann nur schauen, den Schaden nach Möglichkeit zu begrenzen." Anders als sein Verteidiger versuchte er keine Milde zu erheischen.
Das Urteil ist auch im Sinne der missbrauchten Tochter, die sich laut Opferanwältin Eva Plaz gewünscht habe "dass der Angeklagte bis zum Tod zur Verantwortung gezogen wird". Die Frau, die mit einer neuen Identität ausgestattet wurde und mit ihren Kindern an einem geheim gehaltenen Ort lebt, muss jetzt nicht mehr mit dem Alptraum leben, dass ihr Peiniger eines Tages wieder vor der Tür steht.
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