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Urteil im Inzest-ProzeßLebenslang für Fritzl

Das Gericht spricht den Angeklagten im Fall Amstetten in allen Punkten schuldig. Das umfassende Geständnis von Fritzl bewerteten die Geschworenen nicht als strafmildernd.

Viele Journalisten mussten mit einer Videoübertragung aus einem Zelt neben dem Gericht vorlieb nehmen. Bild: ap

WIEN taz Lebenslang für Josef Fritzl. Diesen Spruch fällte das Richterkollegium im St. Pöltner Schwurgericht Donnerstag am frühen Nachmittag. Die acht Geschworenen hatten den Angeklagten zuvor in geheimer Abstimmung in allen Anklagepunkten für schuldig befunden. Der Spruch der Laienrichter, die acht Haupt- und drei Nebenfragen beantworten mussten, erging einstimmig. Begründen müssen Geschworene ihre Entscheidung nicht.

Mord durch Unterlassung, Vergewaltigung, Blutschande, Freiheitsentziehung, schwere Nötigung und Sklavenhandel. All diese Tatbestände erfüllte Josef Fritzl, als er seine Tochter jahrzehntelang vergewaltigte, ein Vierteljahrhundert im Keller wie eine Sexsklavin hielt und mit ihr sieben Kinder zeugte, von denen drei bis vor einem Jahr das Tageslicht nicht kannten. Die Geschworenen sahen es auch als erwiesen an, dass er im Jahre 1996 den Tod eines Zwillings durch Unterlassung herbeigeführt hat. Fritzl wird damit den Rest seiner Tage hinter Mauern verbringen, denn die gleichzeitige Einweisung in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher verhindert jede vorzeitige Entlassung. Da der Verurteilte gleich nach der Urteilsverkündung auf jedes Rechtsmittel verzichtete, ist der Spruch rechtskräftig.

Damit hat sich Staatsanwältin Christiane Burkheiser auf ganzer Linie durchgesetzt. "Der letzte Vorhang des Dramas ist gefallen". Mit diesen Worten hatte sie am Vormittag ihr Plädoyer geschlossen, in dem sie für Josef Fritzl "Lebenslänglich" verlangte: "Es war Mord durch Unterlassung. Daher fordere ich die Höchststrafe". Von seinem reumütigen Geständnis am Vortag sollten sich die Geschworenen nicht täuschen lassen, warnte die erst 33jährige Vertreterin der Anklage. Er habe seine Tochter wie sein Eigentum behandelt und damit auch den Tatbestand der Sklaverei erfüllt.

Ähnlich argumentierte auch die Opferanwältin Eva Plaz. Fritzl habe vor Gericht seine Strategie geändert, weil er seine eigene Glaubwürdigkeit durch die Aussage seiner Tochter erschüttert sah. "Glauben Sie dem Angeklagten auch weiterhin kein Wort. Er hat sich zum Herren über Leben und Tod gemacht", appellierte Plaz an die Geschworenen.

Verteidiger Rudolf Mayer, der der Presse einmal mehr von Morddrohungen gegen seine Person berichtet hatte, sah die Sache naturgemäß anders. Das Geständnis seines Mandanten am Mittwoch sei keine Täuschung gewesen. Allerdings sei sein Schuldbekenntnis für den Tod seines kurz nach der Geburt im Kellerverlies gestorbenen Kindes/Enkelkindes nicht als Mordgeständnis zu verstehen. Denn technisch gesehen handle es sich nicht um Mord durch Unterlassung, sondern um "Imstichlassen eines Verletzten mit Todesfolge". Und darauf steht nach österreichischem Recht nicht Lebenslang, sondern nur dreijährige Haft. Außerdem müssten das Geständnis und auch die durch unverarbeitete Traumata aus der Kindheit bedingte psychische Abnormität als Milderungsgründe gesehen werden.

Mayer bestätigte außerdem ein Gerücht, wonach die Tochter des Angeklagten am Mittwoch bei der Vernehmung ihres Vaters im Gerichtssaal anwesend gewesen sei. Schon vorher sei Fritzl "sichtlich verfallen". Als er seine Tochter auf der Zuschauertribüne gesehen habe, "war's mit ihm ganz aus".

Auch der Angeklagte selbst wandte sich noch einmal an die Geschworenen und die Öffentlichkeit: "Ich bereue es aus ganzem Herzen, was ich meiner Familie angetan habe. Ich kann es leider nicht mehr gutmachen. Ich kann nur schauen, den Schaden nach Möglichkeit zu begrenzen." Anders als sein Verteidiger versuchte er keine Milde zu erheischen.

Das Urteil ist auch im Sinne der missbrauchten Tochter, die sich laut Opferanwältin Eva Plaz gewünscht habe "dass der Angeklagte bis zum Tod zur Verantwortung gezogen wird". Die Frau, die mit einer neuen Identität ausgestattet wurde und mit ihren Kindern an einem geheim gehaltenen Ort lebt, muss jetzt nicht mehr mit dem Alptraum leben, dass ihr Peiniger eines Tages wieder vor der Tür steht.

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6 Kommentare

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  • R
    Ronja

    Ich finde diesen Artikel sehr aufklärend über die Folgen der Taten Fritzls.

    Obwohl er eine harte Strafe bekommen hat, finde ich sollte eine noch härtere Starfe eingeführt werden, da er seiner eigenen Tochter(!) ein Trauma zugefügt hat, dass sie ihr ganzes Leben lang begleiten wird.

    Dieser Mensch ist einfach nur abartig und man sollte ihn so wegsperren, dass er nicht mal mehr Tageslicht sieht. Das gleiche Tageslicht, dass er seiner Tochter jahrelang verweigert hat.

    Ich möchte nur noch ein mal betonen, dass die Justiz sich im Falle Fritzls eine härtere Strafe aussuchen hätte müssen.

     

    Zum schluss noch ein Dankeschön an den Verfasser/ die Verfasserin dieses Artikels!

  • B
    Beobachter

    Ein ziemlich suggestiv geschriebener Artikel.

     

    Erfreulich, dass juristische Themen des bundesdeutschen Inlandes von Christian Rath - zumeist sehr kompent - behandelt werden.

  • M
    m.huber

    Warum wird das Geschehen allerorten als "Inzest-Prozess" bezeichnet?

    Das Grausame an dieser Geschichte ist doch, dass jemand einen anderen Menschen 24 Jahre eingekerkert, gefoltert, gewaltsam über dessen Körper verfügt und mit Tod bei Ausbruch bedroht hat.

    Dass der Täter der Vater des Opfers ist, und damit sexuell inzestuös handelte,ist doch vergleichsweise absolut nebenrangig.

    "Kerker-und Folter-Prozess" wäre wesentlich passender!

    "Inzest-Prozess" suggeriert auch, dass es bei dieser unvorstellbar grausamen Tat um etwas hauptsächlich sexuell motiviertes gegangen wäre...und verstellt damit den Blick darauf, dass es Fritzl sicherlich mehr um die absolute und totalitäre Gewalt über Leben und Tod von anderen Menschen ging.

    Vielleicht schreiben auch alle Medien "Inzest-Prozess", weil Inzest möglichrweise in unserer Gesellschaft ein "aufreizenderes" Tabu ist als "Freiheitsberaubung und Folter?

    Traurig.

  • F
    Falk

    Seit wann ist er denn nun das Opfer?

    Und trotzdem gehört sich sowas eigentlich nicht.

     

    Wenn hier nun jemand die Todesstrafe fordern sollte, hat derjenige sich noch keine Gedanken dazu gemacht, was es heißt, bis zum natürlichen Tode hinter Gittern zu sitzen. Der Tod würde es ihm zu einfach machen.

  • M
    MultiEdge

    @Aaron: Sie haben komplett recht, wenn es ein Medium gibt von dem man das noch erwarten darf dann ist es wohl die Taz, zumindest laut Eigenverständnis.

     

    Apropos: Musste das F.-Thema heute auf die Titelseite? Ich weiß es war klein, aber warum überhaupt. Klar Informationsbedarf ist da, aber der ist gedeckt mit dem Artikel im Innenteil. Ich dachte es geht in erster Linie um Themen die andere Medien so nicht aufgreifen?

  • A
    aaron

    bravo taz. nun habt's ihr es auch geschafft. warum ist es so schwer zwecks opferschutz f. zu schreiben?