Urteil gegen Oscar Pistorius: „Ein gefallener Held“
Vor drei Jahren erschoß der einstige Sportstar seine Freundin. Wegen Mordes bekam er jetzt in zweiter Instanz lediglich sechs Jahre Haft.
Pistorius hatte im Februar 2013 seine Freundin Reeva Steenkamp durch eine geschlossene Toilettentür erschossen. Er spricht von einem Versehen, feuerte aber vier Kugeln ab. Angeblich habe er einen Einbrecher hinter der Tür vermutet.
Richterin Thokozile Masipa hatte Pistorius bereits zu fünf Jahren Haft wegen Totschlags verurteilt, von denen der gefallene Spitzensportler ein Jahr absaß. Die Staatsanwaltschaft ging jedoch in Revision. Das Gericht sah nun die Tat als Mord an. Darauf steht normalerweise in Südafrika eine Gefängnisstrafe von 15 Jahren.
Die Richterin berücksichtigte jedoch mildernde Umstände, die esrechtfertigen, diese Mindeststrafe zu reduzieren. Auch wenn Pistorius als Goldmedaillengewinner und Leistungssportler wahrgenommen werde, müsse man berücksichtigen, dass er zum Zeitpunkt der Tat nachts um drei voller Angst vor einem Eindringling und ohne Prothesen war, meinte Masipa. Der Angeklagte habe nach der Tat unverzüglich Schritte unternommen, um das Leben seiner Freundin zu retten. Sie ging in ihrer Urteilsbegründung auch davon aus, dass Pistorius die Tat bereue. Viele Südafrikaner hatten stets Oscar Pistorius' Beteuerungen seiner Unschuld angezweifelt und auch der Staatsanwalt war nicht von seiner Reue überzeugt.
Richterin Masipa: „guter Kandidat für Rehabilitation“
Aber die Richterin betonte, der 29jährige Angeklagte habe sich mehrfach darum bemüht, die Familie seiner Freundin zu treffen und sein Bedauern auszudrücken. Auch habe er alle in seinem Besitz befindlichen Waffen verkauft und immer wieder erklärt, er wolle nie wieder eine Waffe anfassen. Es gehe nicht darum, in ihrem Urteil die öffentliche Meinung zu befriedigen, sondern ein angemessenes Urteil für ein schweres Verbrechen zu finden. Sie legte ihm zur Last, dass er in der Nacht keinen Warnschuss abgegeben habe. Er habe gewusst, dass jemand im Badezimmer war und keine Fluchtmöglichkeit hatte.
Richterin Masipa erklärte, er habe ein Jahr seiner Strafe verbüßt und sich als guter Kandidat für eine Rehabilitation erwiesen. Sein Leben werde jedoch nie mehr das gleiche sein. „Er ist ein gefallener Held, er ist ein gebrochener Mann.“ Eine langjährige Haftstrafe werde deshalb nicht mehr Gerechtigkeit bringen als eine kürzere Strafe. Pistorius verfolgte die Ausführungen der Richterin mit steinernem Gesicht und wirkte erleichtert, als er aus dem Saal geführt wurde.
Die letzten Monate hatte er unter Hausarrest bei seinem Onkel verbracht. Jetzt geht er wieder ins Gefängnis und hat bereits angekündigt, dass er die Strafe akzeptiert. Auch der Staatsanwalt signalisierte, er wolle nicht in Berufung gehen. Rechtsexperte William Booth erklärte, dass Pistorius mit großer Wahrscheinlichkeit weniger als sechs Jahre Haft verbüßen wird. Er sei mit einer milden Strafe für ein schweres Verbrechen davongekommen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Wahlprogramm von CDU und CSU
Der Zeitgeist als Wählerklient
Anschlag auf Magdeburger Weihnachtsmarkt
Vieles deutet auf radikal-islamfeindlichen Hintergrund hin
Keine Konsequenzen für Rechtsbruch
Vor dem Gesetz sind Vermieter gleicher
Anschlag in Magdeburg
Auto rast in eine Menschenmenge auf dem Weihnachtsmarkt
Russische Männer auf TikTok
Bloß nicht zum Vorbild nehmen