Urteil Gerichtshof für Menschenrechte: Väter müssen Väter sein dürfen

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat entschieden: Männer, die mit einer verheirateten Frau ein Kind zeugen, müssen die Chance auf Umgang mit dem Kind haben.

Zeit mit dem Sohn. Laut Gericht muss das möglich sein. Bild: AP

STUTTGART taz | Michael S. hat seinen Sohn, der heute sieben Jahre alt ist, noch nie gesehen. Doch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) gab ihm am Donnerstag neue Hoffnung. Die Bundesrepublik wurde verurteilt, weil deutsche Gesetze und deutsche Gerichte ihn bisher rechtlos stellten.

Der heute 53-jährige S. hatte vor gut neun Jahren eine 14-monatige Beziehung mit Frau H. Diese war zwar verheiratet, doch ihr Mann lebte in England. Sie erwog die Scheidung und plante ein Kind mit ihrem neuen Liebhaber. Als sie tatsächlich schwanger wurde, stellte sie in ihrer Umgebung Michael S. als Vater des Kindes vor.

Doch dann ließ sie die neue Beziehung platzen und zog zu ihrem Mann nach England, wo das Kind 2004 zur Welt kam. Michael S. durfte das Kind nicht sehen und erfährt auch sonst nicht, wie es ihm geht. Dagegen klagte er. Er will zumindest regelmäßigen Umgang mit seinem Sohn.

Nach deutschem Recht hatte er aber keine Chance. Das bestätigten ihm die Gerichte bis hin zum Bundesverfassungsgericht. Er habe kein Umgangsrecht, denn rechtlich sei er nicht der Vater des Kindes. Rechtlicher Vater ist nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch nämlich automatisch der Ehemann der Mutter.

Keine soziale Beziehung zu seinem Sohn

Michael S. könnte dessen Vaterschaft nur anfechten, wenn zwischen Ehemann und Kind keine soziale Beziehung besteht. Das ist im Fall von Familie H. aber nicht der Fall. Herr H. hat seine soziale Vaterrolle angenommen. Auch ein Umgangsrecht als sonstige "enge Bezugsperson des Kindes" wurde S. nicht zugestanden, da er ja noch keinerlei soziale Beziehung zu seinem Sohn aufgebaut habe.

Der EGMR sprach S. nun 5.000 Euro Schadenersatz zu. Sein "Recht auf Privatleben" sei verletzt worden. Gerichte hätten zumindest prüfen müssen, was dem Kindeswohl am besten dient und ob die Interessen des leiblichen Vater Vorrang vor denen des Ehepaars haben. Ob S. ein Umgangsrecht hätte erhalten müssen, ließ Straßburg offen.

Ähnlich hatte das Gericht schon im vergangenen Jahr geurteilt. Neu war, dass diesmal die Mutter behauptete, auch der Ehemann könne theoretisch Vater des Kindes sein. Das war im ersten Fall schlecht möglich, weil dort der Liebhaber Nigerianer war und das Kind auch eine dunkle Hautfarbe hatte.

In den kommenden Monaten werden zwei weitere Straßburger Entscheidungen die Frage klären, ob der biologische Vater in solchen Fällen sogar die Vaterschaft des Ehemanns anfechten kann. Anschließend will die Bundesregierung über Änderungen des deutschen Rechts nachdenken.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.