■ Urlaub in Ostdeutschland: Erholung oder Survival-Tour?
Yonas Endrias, Politologe
Ich würde niemals im Osten Urlaub machen. Das wäre eine Survival-Tour. Bei jeder Fahrt in den Osten habe ich negative Erfahrungen gemacht – von Glotzereien bis zu Pöbeleien. Für Schwarze ist das ein No go Area. Du mußt Angst um deine körperliche Unversehrtheit haben. In Bayern, wo ich gerne Urlaub mache, spüre ich diese Gefahr nicht.
lebt seit 1980 in Berlin
Sanem Kleff, Lehrerin
Beruflich muß ich häufiger in den Osten. Die Erfahrungen sind zu unangenehm, um dort Urlaub zu machen. Sehr viele Menschen machen mir klar, daß sie mich nicht da haben wollen. Ein Urlaubsversuch auf Rügen endete damit, daß ich von 20 Jugendlichen auf Motorrädern eingekesselt wurde. Glücklicherweise war ich in Begleitung blonder, blauäugiger Männer.
lebt seit 1980 in Berlin
Fernando Ponzetta, arbeitslos
Vor Jahren bin ich ab und zu mit dem Auto durch den Osten gefahren. Aus Angst stieg ich nie aus. Aber auch Spritztouren vermeide ich jetzt, denn der aggressive Rassismus, der sich früher eher gegen Schwarze und Asiaten richtete, trifft nun auch uns Italiener. Ende Mai fahre ich mit einem Fotokurs nach Mecklenburg – mit Unbehagen und feuchten Händen.
lebt seit 1983 in Deutschland
Emine Demirbüken, Ausländerbeauftragte
Ich fahre oft und gerne in den Osten. Allerdings scheue ich, anders als im Westen, Spaziergänge in Gegenden mit wenig Menschen. Die Blicke und Reaktionen der Menschen sind andere als im Westen. Über Ostern besuchte ich mit meiner Familie Potsdam – hinter uns „Ausländer raus“-Gegröle. Nicht alles was zusammenwächst, gehört auch zusammen.
lebt seit 1968 in Deutschland
Özcan Mutlu, Politiker
Es ist traurig, daß ich zehn Jahre nach der Wiedervereinigung die Schönheit der Uckermark nicht genießen kann. Beruflich bin ich viel im Osten. Die abschätzenden Blicke, die ich dabei ernte, reichen mir. Mit meiner Familie fahre ich da nicht hin, das Risiko ist mir zu groß. Wir überlegen uns derzeit, mit fünf Familien einen Ausflug ins Berliner Umland zu organisieren.
ist in Berlin geboren
Taha Kahya, taz-Mitarbeiter
Ich will nicht mit der Angst vor dem Osten leben, deshalb fahre ich hin und wieder hin. Aber das Unbehagen bleibt. Ich habe einige harte Situationen dort erlebt. Meine Kinder lasse ich nicht auf Klassenfahrten in den Osten mitfahren. Andere Eltern reagieren ähnlich, und so mußte kürzlich eine geplante Klassenreise in den Osten abgesagt werden.
lebt seit 1975 in Berlin
Umfrage: Eberhard Seidel
Fotos: Wolfgang Borrs
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