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■ Urdrüs wahre KolumneUrlaub in Meck-Pomm

Sehr schön der Erich-Mühsam- Preis 1997 für die Asylgruppe Ostertor. Damit jetzt nicht Ausländeramtsleiter Dieter als der mildtätige Terminator unseres Kirchspiels vor Sozialneid zerfressen wird, möchte ich ihm hier und heute die Pontius-Pilatus-Medaille mit eingravierter Kreuzigungsszene verleihen, wegen „Ich wasche meine Hände in Unschuld!“Jedem das Seine...

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Daß es eine staatlich anerkannte Fachschule für Clowns gibt, haben wir an dieser Stelle schon bekrittelt. Wieder so ein Schlag gegen letzte Bastionen anarchistischer Selbstbestimmung. Vergebens warteten wir allerdings bislang auf die folgerichtige Gründung eines Berufsverbands, der nichtausgebildeten Pappnasen ein Auftrittsverbot in öffentlich geförderten Institutionen erteilt und ernsthaft um die Aufnahme in die kassenärztliche Vereinigung bittet, weil Lachen schließlich die beste Medizin neben Aspirin und Eunova ist (P.S.: Mit den Diplom-Clowns kommen die Tränen...).

Pfingsturlaub in Meck-Pomm. Unweit der bremischen Partnerstadt Rostock chauffiert mich meine Begleiterin im ostalgisch-himmelblauen Trabant zur Dorfdisco bei Altentreptow, wo ich aus hier nicht zu erläuternden und erst recht nicht zu diskutierenden Gründen in der Jury einer Wahl zur Miss Fat Girl ein Ehrenamt zu bekleiden habe. Auf kurvenreicher Allee überholt uns im Mörderinnen-Tempo ein tieffliegendes Sonnenstudio-Hühnchen im tiefliegenden BMW, der zudem mit der Aufschrift „Heim-Lieferservice Bezirks- direktion / Struktur - Vertriebs GmbH“versehen ist. Wieder mal verfalle ich dem Brauchtum der starken Geste, zeige den Stinkefinger und löse damit eine Vollbremsung auf regennasser Fahrbahn aus. Sofort stöckelt die Lady auf stahlblinkenden Highheels im tiefroten Engtanz-Kostüm auf unsere müde Rennpappe zu, reißt die Tür auf und girrt: „Ihnen täte unser Relax-Massageöl sehr gut. Vielleicht haben Sie auch Interesse, für uns ein Vertriebs-Depot zu verwalten. Sieger erkennen ihre Chance in jeder Situation.“Ich bin irgendwie kein Siegertyp heute und verweigere mich hartnäckig der Kooperation. „Dann bleibense doch auf ewig im Trabi“, zischt sie uns zu. Und bevor sie durchstartet, lesen wir noch ihr Glaubensbekenntnis im Rückfenster: „Business is war.“Vielleicht mietet diese Kampf-stute demnächst das World Trade Center in Bremen an. Auf sowas steht Hausmeister Frank Haller bestimmt.

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Mittwoch abend im „Weitiner Krug“. Fast wie im richtigen Deutschland trifft sich der biertrinkende Teil der Bevölkerung zum TV-Ereignis „Schalke-Inter“auch vor den Toren Neubrandenburgs vor dem Kneipen-Großbildschirm. Irgendwann wird der Fremde als Anhänger des SV Werder geoutet und in bösartiger Form in die Verantwortung für das Vulkan-Verbrechen am Aufschwung Ost, insbesondere aber Meck-Pomms, genommen. „Wahrscheinlich haben die ooch das Bernsteinzimmer geraubt, da is ja jetzt was von aufgetaucht in Bremen.“Bin gespannt, wie sich Friedrich Hennemann da rausreden wird. Und sehe nicht länger ein, mich für diese kleinen Strolche in die Defensive drängen zu lassen Ulrich „Reisekader“

Reineking

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