piwik no script img

■ Urdrüs wahre KolumneBeim Eierwerfen

Eine Postwurf-sendung versucht mich dieser Tage für einen Ganztagsausflug in den Harz mit Werbeveranstaltung zu gewinnen und lockt nicht nur mit Schweizer Offiziersmesser samt 500 Gramm Mettwurst für alle Mitreisenden, sondern auch mit dem „Erlebnis brünstiger Hirsche zum Anfassen nah“. Und unser Reiseleiter sei „ein charmanter und gut gekleideter Ostharzer“, der das hehre Unternehmensziel verkörpere: „West trifft Ost/Ost trifft West. Unser Beitrag zur deutschen Einheit. Wer sein Vaterland nicht kennt, der hat auch keine Heimat.“ Nun hindert mich allerdings die Furcht vor brünstigen Hirschen vorm Einstieg in den Einigungs-Express. Zum Anfassen nah!

Die gute alte Reklamedichterschule von Berlin, ausgewiesen durch U-Bahn-Werbesprüche wie „Möbel-Kunst der wohnt/ das weiß ich/ Blücherstraße dreiunddreißig“ oder „Orje sprach zu Kulle/schmier mir doch ne Paechbrot-Stulle“ hat offenbar ihre Spitzenkraft nach Bremen geschickt, um dort für den Weserkurier zu reimen: „Ob Reiten, Tennis, Bundesliga/ wer Zeitung liest, der kennt den Sieger“. Wir prophezeien: Dies wird die mittelfristige Vormachtstellung des Ihnen hier vorliegenden Blattes nicht aufhalten können. Denn so spricht der moralisch überlegene Dichter: „Frühes Frühstück ohne taz/ und der Tag gehört der Katz!“

Leider hatte ich keine Zeit, um beim Eierwerfen auf das zairische Konsulat in Bremen dabeizusein. Aber obwohl meine Leistungen beim Schlagballweitwurf einst so erbärmlich waren, daß der oberaufsichtsführende Studienrat öffentlich über meine „mädchenhafte Technik“ moserte und daraus ein „wahrscheinlich vom anderen Ufer sein“ ableitete, würde ich zum nächsten Wettbewerb gern rechtzeitig eingeladen werden. Ich hoffe dabei auch auf rege Teilnahme aus Kirchenkreisen, denn solche Ei-Opfer in Solidarität mit dem von zairischen Folterknechten bedrohten Flüchtling Jean Nsotuna Mampouya gefallen Gott wohl. Amen !

In der Buchhandlung gehört: „Wie heißt denn diese Polin mit dem Literaturnobelpreis? Da hätte ich dann gern ein Bändchen, aber auf keinen Fall mehr als 30 Mark. Bei Gedichten lohnt sich mehr einfach nicht, die überfliegt man so ratzfatz, und dann stehen die Bücher als Staubfänger rum.“ Dies zur Mahnung an alle, die in fiebrigen Nächten um Worte ringen, um diese als gute Saat auf den steinigen Boden menschlicher Gefühle auszuwerfen: Es lohnt nicht! Ratzfatz!

Tjaja. All jene BremerInnen, die vom hohen Rosse weiß-grüner Dominanz dem Spiel von Werder gegen Bielefeld entgegensahen und nunmehr an der Schmach der 1:3-Niederlage zu knabbern haben: All diese seien freundlichst darauf hingewiesen, daß mein heimischer Lieblingsverein, der 7.-klassige SC Rinteln kürzlich gegen eben diese Bielefelder im Freundschaftsspiel einen 2:3-Pausenstand ertrotzte und erst in der zweiten Spielhälfte abserviert wurde. Dixie Dörner kann ja mal auf Talentsuche vorbeischauen - den Weg kennt Willi Lemke noch von seinem Vortrag bei der hiesigen Sparkasse über „effektives Management“!

Nicht vergessen! Heute läuft die Frist ab, innerhalb derer man sich für eine bevorrechtigte Zuteilung von Telekom-Aktien vormerken lassen kann. Das interessiert nicht? Du bist vermutlich ziemlich in Ordnung...

Denkt sich ganz optimistisch

Ulrich Jeremia Reineking

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen