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■ Urdrüs wahre KolumneÖlige Tittenbären

Wenn im Bremer Datenschutzbericht 1996 bemängelt wird, daß Anrufe auf dem Bürgertelefon in Fishtown aufgenommen und abgehört werden, so kann ich diese Aufregung nicht verstehen: Soll sich Onkel Datenschützer mal Gedanken machen über die enttäuschten Bürger mit subversivem Anspruch, die kein Schwein abhört und denen der Staat als das bekannte Unwesen praktisch unterstellt, daß sie angepaßt, harmlos und loyal sind. Wenn das SCHWEINESYSTEM nicht mal mehr abhört: Welche Perspektiven haben wir dann noch?

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Ja, ist der Sanitätsgefreite Neumann jetzt restlos gaga? Will er doch wahrhaftig die Stahlhelmfraktion in der CDU in Sachen Wehrmachtsausstellung beruhigen, indem er nun die Reemtsma-Schau über die Verbrechen des Doitschen Gesamtsoldaten durch eine Dokumentation über das bißchen Widerstand in dieser Saubande konterkarieren läßt. Meint denn der Herr Staatssekretär tatsächlich, daß die Würdigung solcher vaterlandslosen Verräter im Sinne derer ist, denen die ganze Richtung nicht passt? Unter Kamerad Gauweiler wär' das jedenfalls nicht passiert! Ihre Ehre hieß Treue, und die war kein leerer Wahn...

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In des Vierten Reiches größter Tageszeitung wird dieser Tage eine Optimal-Diät propagiert, die „tausend dicke deutsche Männer und Frauen in einem zweijährigen Test entwickelt haben“– ganz ohne Jojo-Effekt und Quälerei. „Spargel-Aktiv“heißt der aus dieser Anstrengung entwickelte Extrakt, doch bevor wir Fettsäcke nunmehr alle auf die leckeren Gemüsestangen als tägliches Brot umsteigen, darf doch wohl noch einmal über die Folgen nachgedacht werden: Spargelpisse von Millionen Bundesbürgern – das schafft keine Kläranlage, das wird sich als Gestank über das ganze Land legen und uns Dicke zu Sündenböcken machen, gegen die jedes Mittel Recht ist. Nein, tragen wir es mit Würde, dem Leben zuliebe.

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Frauenbewegung erwache! Nachdem der Sultan von Brunei bei der Bremer Lürssenwerft die größte Yacht in Auftrag gegeben hat, will sich sein Brüderchen Prinz Hadschi Dschefri nicht lumpen lassen und ebenfalls ein Schiff bauen lassen. Und heißen soll die prinzliche Yacht dann „Tits“. Ob es für die Bestellung dieses öligen Tittenbärs am Ende noch eine Landesbürgschaft gibt?

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Anläßlich des 18. taz-Geburtstages erinnert sich der Chronist an den vierten oder fünften Erscheinungstag anno 1979, als er am Zeitungskiosk des Bahnhofs Zoo dabei erwischt wurde, wie er gleich drei Exemplare der neuen Tageszeitung ohne Entgeltzahlung mitnahm. Der Händler wollte ihn trotz des eher mundraubartigen Delikts bis zum Eintreffen der Polizei festhalten. Und der verlangte dabei Unterstützung von seinem studentischen Ladengehilfen, was von diesem mit den kühnen Worten zurückgewiesen wurde: „Da misch ich mich nicht ein, muß jeder selber wissen, wie er das Projekt Tageszeitung unterstützt!“Die dadurch mögliche Flucht war der Beginn einer wunderbaren Freundschaft mit meinem PFLP-Kumpel Hassan, der heute eine T-Shirt-Versandboutique betreibt, fünf Kinder mit einer einzigen (!) Frau hat und immer noch weiß, wo Genosse Bartel den schäumenden Most des letzten Gefechts holt: Seine Perserkatze heißt Mesrine. Soweit zum Thema Kontinuität.

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Freude stiftet in diesen Tagen einmal mehr Herr Leo Moll, seines Zeichens Innungsmeister des Fleischerverbandes Niedersachsen-Bremen, mit der Information, daß Rindfleisch einen Wirkstoff gegen Krebs enthält: Aus dem Rauhfutter wird diese „konjugierte Linolsäure“im Wiederkäuermagen synthetisiert. A big steak a day/keeps the doctor away! Das Schönste aber ist, gerade kurz vor Eintritt in die Balkon- und Parzellensaison für das kommunikative Grillvergnügen des öberschten Wurstmaxen Erkenntnis, daß die wertvollen Wirkstoffe durch die Holzkohlenglut sogar verstärkt werden. Wenn jetzt Josef Hattig auch noch den hohen Gehalt an Vitaminen und Mineralien im Pils verkündet, sag ich den beschleunigten Fall der Profitrate bei der Pharma-Industrie voraus und uns allen einen fröhlichen und gesunden Kursommer im Biergarten. Ulrich

„Hopfenkrone“Reineking

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