■ Urdrüs Wahre Kolumne: Weltstars als Stadtmusikanten
Bevor ich meinen Obliegenheiten als Festredner auf Fisch und Faterland beim Karfreitags-Fischbuffet im Schnürschuhtheater Genüge tun sollte, lockt es mich zu einem kleinen Bier vorweg in eine nahgelegene Haake-Beck-Kneipe, wo zwei ältere Herren in der Nachfolge von Klaus & Klaus das Lied vom „Pferd auffem Flur“intonieren. Eine schon von mindestens drei kleinen Möselchen erhitzte Dame am Tresen verbittet sich diesen Gesang mit dem Hinweis auf den ernsten Charakter des Tages, worauf die Sängerknaben tatsächlich das Repertoire wechseln und „Brüder zur Sonne zur Freiheit“anstimmen. So oder so ist das Leben und die Welt am Buntentorsteinweg zum Ende der Passionszeit. Land in Sicht?
Domprediger Henner Flügger will im Herzen von Bremen am St.-Petri Dom einen Bibelgarten entstehen lassen, in dem alles blühen darf, was in der Bibel erwähnt wird. Mit Lavendel und Lilie, Klatschmohn und Jakobsleiter geht es los: Ob uns aber als Baum der Erkenntnis Luthers Apfelbäumchen oder die Ganya-Staude von Haile Selassie angeboten wird, bleibt abzuwarten. Hoffentlich respektieren die grünen Jungs von der Wache nebenan das Kirchenasyl für allerlei Kraut, daß ein jegliches wachse nach seiner Art.
Eine Gendatei für verurteilte Straftäter will der innenpolitische SPD-Fraktionssprecher Jens Böhrnsen gesetzlich verankert wissen. Und wenn die Datei mit der Mitgliederkartei abgeglichen wird, bekommen die Genossen in der Schnittmenge ein schwarzes Dreieck auf den Schädel tätowiert und dürfen nicht mehr Kassierer im Ortsverein Altstadt werden. Ist es da ein Wunder, daß so viele Sozialdemokraten Baskenmützen tragen?
Warum nur dementiert die Lloydwerft, daß sie den Innenausbau für das Titanic-Nachfolgeschiff „Titanic II“leisten will, wie dies von Antenne-das-Radio behauptet wurde? Wir sollten doch dankbar sein für jede positive Erwähnung der marodierenden Wirtschaft unseres Kirchspiels, und vielleicht hätte ja beim Stapellauf Celine Dijon „Hein Mück aus Bremerhaven“gesungen, und das nächste Wrack wäre dann ein ganz schönes Exponat für den Oceanpark geworden.
Positiv denken, dann stimmt die Psychologie!
Im Zentralorgan der Ökoladen-Kette Spinnrad findet sich neben allerhand Joghurt-Kulturphilosphien auch der Hinweis auf das 84seitige neue Wasserbetten-Buch: Prominente wie Berti Vogts feiern darin die schwabbelnde Matratze als Basis ihrer Erfolge, und jetzt gibt es auch noch das Doggy-Wasserbett für den vierbeinigen Liebling. Dies alles aus der „neuen Generation made in Germany“! Und der Herr sah, wie verderbt diese Welt war, und schickte eine große Sintflut, zu verschlingen Berti und Pluto.
Das ganze Problem der piefigen Selbstdarstellung Bremens artikuliert sich in der bundesweit verbreiteten Musikfest-Information Nr. 1 mit der Ankündigung der Berliner und Wiener Philharmoniker unter dem Titel „Die Weltstars als Stadtmusikanten ... Noch vor dem Freimarkt bringt das Musikfest die Hansestadt zum Pulsieren“. Unter Stabführung von Claudio Abbado und John Eliot Gardiner singt vermutlich Heini Holtenbeen den Messias, begleitet von der Kultursenatorin auf der Blockflöte und präsentiert von Kellogg's Cornflakes. Joho, joho, so geit's in Bremen to!
brummt mißvergnügt der Ulrich „Grobi“Reineking
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