■ UrDrüs wahre Kolumne: Gummibären mit Schmuddelaroma
UrDrüs wahre Kolumne
Gummibären mit Schmuddelaroma
Gern lesen wir in der Ostfriesen- Zeitung aus Leer, daß diese Stadt an Leda, Jümme und Ems offenbar ein Hort der guten Taten und TäterInnen ist. So sammelten die Kassiererinnen des „multi- markt“ spontan rund 50 Mark per Kollekte unter Kunden und Kolleginnen, nachdem „ein abgrundtief trauriger Zehnjähriger“ seine ersparten 50 Mark in der Spielwarenabteilung der Einkaufsstätte verloren hatte — und das auch noch am Tag vor dem Geburtstag. Gepriesen seien diese Heldinnen des Mitgefühls, die es nicht beim schieren Bedauern beließen, sondern sich selbst in die Pflicht nahmen.
Gepriesen seien aber auch jene, die auf andere Weise an ihrer Verantwortung für eine bessere und humanere Gesellschaft wirkten.
Am selben Tag — wenn auch des Nachts —, am selben Ort — wenn auch anonym und unerkannt: „Mit einer ätzenden Flüssigkeit haben Unbekannte Autos eines Kfz-Handels an der Bremerhavener Straße beschädigt. Bei einigen Wagen wurde der Lack noch zerkratzt und die Luft aus den Reifen gelassen.“
Vandalismus oder Petitesse? Wir nennen es “Verantwortungsethik in Aktion“.
Und weiter fahren wir per Bahn gen Westen, um für einige Tage der Heimat zu entfliehen: Schon im örtlichen Coffieshop von Utrecht aber holt uns die Landespolitik wieder ein, denn wer kommt da im gedeckten grauen Anzug in die Ladentür, um sich ein Sortiment von 7 fertiggerollten Joints zu kaufen?
Ausgerechnet der Herr Peter Kudella ist es... oder zumindest jemand, den selbst dessen eigene Mutter als bislang irgendwie unbekannt gebliebenen Zwillingsbruder akzeptieren würde!
Kudella, bekennen Sie sich zu ihren geheimen Obsessionen — oder kommen Sie nach Utrecht, um die Sache hier an Ort und Stelle zu klären.
Dieser Tage ging mir aus kackbraun-trüber Quelle die Neuerscheinung „Der Nationalismus“ zu, bezeichnenderweise erschienen in einem Gambrinus-Verlag, der in einem Postfach in 89424 Wittislingen seinen Sitz hat.
Dort wird das bizarre Angebot einer Karl-Heinz-Vorsatz-Gedenkkassette gemacht: „Dieses Tonwerk umfaßt die letzten, großen Reden des bedeutenden deutschen Nationaldemokraten, die er als Abgeordneter in der Bremischen Bürgerschaft in den Jahren 1991 und 1992 hielt.“
Wenn so ein Tonwerk erstmal in Erinnerung an den Rest dieser Dumpfbacken vorliegt, wird auf das Wohl des Gambrinus-Verlages ein Fäßchen Bier getrunken — versprochen!
„He, Alter, das mußte mal in deiner Kolumne aufspießen“, haute mich vor einigen Tagen ein mutmaßliches ÖTV-Mitglied an und wollte mich mit Informationen über das Sozial-und Sexualverhalten des ÖTV-Funktionärs Holger Wohlleben bestücken.
Ach, werter Kollege Tipgeber: Wollen wir jetzt auf diese Weise daran arbeiten, solchen Gummibären der Geschmacklosigkeit wenigstens etwas Schmuddelaroma beizumengen? Über ihre Langeweile werden sie stolpern, nicht über ihre völlig konturlosen Privatheiten.
TAZ-LeserIn! Heraus zum 1. August! Bekenne Dich zur Lust am Illegalen, die in Dir schlummert seit Brokdorf, Straßenbahnunruhe oder Fälschung von Gehaltsbescheinigungen für den Wohnungsmakler! Nie war Illegalität so einfach, unterhaltsam und nützlich: Am Sonntag ist auf der Bürgerweide zum ersten Mal Flohmarkt trotz Verbot. Handelt und wandelt, kauft und verhökert solidarisch, gemeinsam und, wenn's geht, gewaltfrei auf der großen Recycling-Börse Norddeutschlands. Ischa'n ganz annern Schnack, oder nich? Ulrich Reneking-Drügemöller
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