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„Unzumutbar für verbleibende Professoren“

■ Interview mit Dorothee Stapelfeldt, hochschulpolitische Sprecherin der SPD, über Sparen und Kompensieren an der Uni/ Ihre Forderung: Der Dreijahresplan muß her

Der SPD Arbeitskreis Hochschule und Wissenschaft, dem Sie vorsitzen, hat Thesen zur Sparpolitik verabschiedet. Hält sich der SPD-Genosse Hajen daran?

Stapelfeldt: Im Grundsatz stimmen wir überein, es gibt aber auch unterschiedliche Auffassungen, die geklärt werden müssen. Es besteht Konsens, daß die Wissenschaftsbehörde sich mit der vorgegebenen Quote an den Einsparungen im Personalhaushalt beteiligen muß. Aber es stellt sich die Frage, wie dieser Betrag von 7,3 Millionen Markt verteilt wird.

Würden Sie andere Prioritäten setzen als der Senator?

Zunächst darf das bildungspolitische Ziel, Studienplätze auszubauen und für den immer größer werdenden Anteil der jüngeren Generation die Ausbildung an den Hochschulen offenzuhalten, nicht vergessen werden. Wenn in Hamburg gezwungenermaßen Studienplätze abgebaut werden, muß dies möglichst behutsam passieren und durch Kompensation, zum Beispiel an der TU-Harburg, aufgefangen werden. Zweitens müßten die fachlichen Entwicklungsplanungen der einzelnen Hochschulen berücksichtigt werden. Die Einsparungen dürfen nicht zufällig dort erfolgen, wo gerade Stellen frei werden.

Das passiert aber. Beispiel Ethnologie: Dort gibt es vier Profs für 1000 Studierende, die vierte Stelle will Hajen jetzt streichen.

Ganz sicher würde dies dort zu erheblichen Schäden führen. Die Streichung einer Stelle in einem so kleinen Fach, das eine erhebliche Zahl von Nebenfachstudenten hat, führt im übrigen dazu, daß es eine unzumutbare Belastung für die verbleibenden Professoren gibt. Es ist eben ein Unterschied, ob bei den großen oder den kleinen Fächern gestrichen wird. Im übrigen gibt es neben den schlecht ausgestatteten Fächern immer noch solche, die gut ausgestattet sind.

Mir sind keine bekannt.

Die Naturwissenschaften: Chemie, Physik, Biologie.

Sie setzten voraus, daß es Entscheidungsspielraum gibt. Wenn nun die BWF zweidrittel aller freien Stellen der Uni streicht, gibt es diesen Spielraum nicht.

Schon deswegen fordern wir mit unserem Thesenpapier ja etwas anderes. Wir haben ein Sparprogramm vor uns, das die nächsten drei Jahre betrifft. Die Sparbeiträge im Personalhaushalt sind für 1996 und 97 noch wesentlich höher als für 1995. Ich bin ausdrücklich dafür, daß die Personaleinsparungen für den ganzen Zeitraum von drei Jahren konzipiert werden. Damit ist es den Hochschulen möglich, kurzfristige Fehlentscheidungen zu vermeiden.

Also ein Memorandum für die 95er Sparauflagen?

Das muß nicht unbedingt sein. Wenn 95 nur in einem kleinen Fach eine Stelle frei ist, muß es möglich sein, dies durch die Streichung einer anderen Stelle in einem größerem Fach, die erst im nächsten Jahr frei wird, auszugleichen. Das bedeutet nicht, daß man ingesamt das Sparziel verfehlt. Aber Sparen muß nicht heißen, daß man am unintelligentesten gerade das macht, was kurzfristig möglich ist.

Nun besteht Herr Hajen darauf, daß 60 Stellen in diesem Jahr benannt werden.

Es ist ja nicht der Senator allein, der darauf besteht. Der Senat hat dies beschlossen und auch das Verfahren dazu. Die Stellen, die gespart werden sollen, müssen jetzt bezeichnet werden. Es sei denn, man einigt sich dort, wo es naheliegt, auf ein anderes Verfahren.

Sie plädieren für einen Dreijahresplan. Dafür müßten sich Hajen und Lüthje zusammensetzen.

Das reicht nicht. Der Präses sollte mit allen sechs Hochschulpräsidenten gemeinsam einen Plan entwerfen. Darüber hinaus ist es nicht einzusehen, daß nur die Hochschulen sparen sollen. Auch die außerhochschulischen Forschungseinrichtungen, wie das Max-Planck-Institut oder Desy, müssen beteiligt werden.

Die Uni hatte in den letzten Wochen eine schlechte Presse. Was meinen Sie: Jammert sie zuviel?

Ich finde, daß das öffentliche Gedächtnis sehr kurz ist. Noch bis vor einem Jahr gab es einen Konsens, daß die Überlast an den Hochschulen nach wie vor besteht. In den letzten zehn Jahren wurde die Studienanfängerzahl um 70 Prozent erhöht, Personal und Räume aber kaum. Ich verstehe nicht, daß das heute keine Rolle mehr spielt und die Spardiskussion alles vom Tisch gewischt hat.

Die Fragen stellte Kaija Kutter

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