Unwiderstehlicher Trieb?

■ betr.: „Keine Feministin weit und breit“, taz vom 10. 11. 95

„Tätertherapie“, aber wie?

Wenn ich die Grünen richtig verstehe, gehen sie von dem ideologischen Mythos aus, daß die männliche Sexualität grundsätzlich aggressiv ist sowie unkontrollierbar, da sie auf einem unwiderstehlichen Trieb gründet. Vergewaltigungen sind demnach eine Begleiterscheinung der zunehmenden Weigerung der Frauen, sich so zu verhalten, daß dieser Trieb nicht außer Rand und Band gerät.

Da die wissenschaftlichen Theoretiker bisher keine Triebunterdrückungstherapie entwickelt haben, die sie sich gegebenenfalls selbst verordnen würden, wird die Tätertherapie nichts anderes als ein Appell an die allzeit opferbereite Frau sein. Dergestalt, den männlichen Trieb nicht zu provozieren.

Hatten wir das nicht schon mal?

Bevor ich vor Mitleid mit den Tätern zerfließe, die ja in Wirklichkeit nur Opfer ihrer Biologie sind, schlage ich folgende Therapie vor: Abschaffung des kapitalistischen Patriarchats, auch Zivilisation genannt. Denn Gewalt gegen Frauen ist kein Überrest aus „barbarischen“ Zeiten, sondern der Grundbaustein dieser Zivilisation. Sabine Voigtländer, Regensburg

[...] Das Strafmaß ist nicht mehr der große Streitpunkt. Heute geht es der Regierungskoalition und Teilen der SPD vor allem darum, die Verurteilung eines Ehemannes zu vermeiden. CDU/CSU und FDP wollen mit ihrem Gesetzentwurf sogar schon im Vorfeld das „Hineinermitteln“ in eine Ehe durch eine Widerspruchsklausel verhindern. Und gerade das darf nicht sein!

Es ist willkürlich, wenn der Staat die Eheschließung als Grund für eine Relativierung von Persönlichkeitsrechten ansieht. Widerspruchs- und Versöhnungsklausel schaffen eine bewußt unklare Rechtslage. Die Tat wird vom Verbrechen zum Konflikt herabgesetzt. Und darum geht es bei der Vollstreckungsklausel gerade nicht – auch nicht um Tätertherapie. Eine mögliche Vollstreckungsklausel – deren Überprüfung durch die Bundesregierung wir fordern – zielt darauf, nach der erfolgten Verurteilung des Täters die Strafe möglicherweise zurückzustellen. Allerdings nur mit Blick auf den Opferschutz, und in diesem Zusammenhang stehen Auflagen, wie das Verbot des Betretens der Wohnung, die Kontaktaufnahme zum Opfer und die Zuweisung der Wohnung im Vordergrund. Alles Dinge, deren Einhaltung überprüfbar sind und, das ist der entscheidende Punkt, nicht länger das Opfer unter neuen Druck setzen, sondern endlich den Täter und sein Verhalten in den Vordergrund rücken. Das ist doch die frauenpolitisch entscheidende Frage: Wie kann man einen Ansatz finden, der Männer zur Verhaltensänderung zwingt. Und das ist nicht feministisch? Rita Grießhaber, MdB, Bonn