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Unvollständiger Aufbruch in Zaire

■ Zaires Präsident Mobutu ernennt Oppositionsführer Etienne Tshisekedi zum neuen Ministerpräsidenten/ Einst Anhänger des Diktators, dann Wortführer einer verfolgten Opposition, muß der neue Regierungschef nun am politischen Nullpunkt beginnen

Brazzaville/Berlin (ips/taz) — Eskaombe M'Poi ist ein fleißiger Mann. Achtmal reiste er seit Ausbruch der Unruhen in Zaire zwischen den Hauptstädten Zaires und Kongos, Kinshasa und Brazzaville, hin und her — auf einem Boot voller Schmuggelgüter. Von einem Ufer des Zaire-Flusses zum anderen verscherbelte er Teppiche und Videorekorder. Dabei verdiente er umgerechnet 2.500 US-Dollar — das fünfzehnfache jährliche Durchschnitts- Pro-Kopf-Einkommen in Zaire. Schließlich verhaftete ihn der kongolesische Zoll. Wie ein Hafenarbeiter in Brazzaville klagt: Es gibt neuerdings zu viele „nicht kooperationswillige“ Beamte, die sich nicht mehr mit Kühlschränken bestechen lassen.

Auf Leute wie M'Poi ist Zaires neuer Premierminister Etienne Tshisekedi jedoch angewiesen, wenn er Zaire „erneuern“ will. Der Unternehmergeist, der ganz Zentralafrika mit gestohlenen zairischen Gütern versorgt und nun die Lagerhallen Kinshasas völlig geleert hat, ist für einen Wiederaufbau der ruinierten formellen Wirtschaft unerläßlich.

Diktator Mobutu war eigens von seiner Jacht in die Hauptstadt gereist, um den bekanntesten Oppositionspolitiker Zaires gestern früh zum Ministerpräsidenten zu ernennen. Zwar kündigte Tshisekedi nach seiner Ernennung einen „vollständigen Bruch“ mit der Vergangenheit an — doch einige Oppositionspolitiker Zaires halten sein Vorgehen schlicht für Verrat. Man hätte das politische Vakuum der vergangenen Woche nutzen sollen, um Mobutu abzusetzen, fordern kleinere Parteien. Dann hätte man das machen können, was Tshisekedi selber im April der französischen 'Libération‘ sagte: „Ich habe nur ein Ziel: daß Herr Mobutu die Macht abgibt. Dann werden wir eine Übergangsregierung anführen, um Wahlen zu organisieren und eine neue Verfassung einzurichten.“

Damals stand Tshisekedi auf dem Höhepunkt seiner Popularität. Im Februar war er aus dem Exil zurückgekehrt und unternahm eine wochenlange Triumphreise durch Zaire; dies war der Auslöser für Proteste und Streiks, die Mobutu Ende Juli endlich zur Einberufung der Nationalkonferenz zur Reform des politischen Systems bewogen.

Nun kommt den Gegnern der neuen Regierung die Tatsache gelegen, daß Tshisekedi einst einer der wichtigsten Politiker des „Mobutismus“ war. Er schrieb Zaires Einparteienverfassung und war hintereinander Innen-, Plan- und Justizminister. 1980 gehörte er dann zur „Silvester-Verschwörung“ von dreizehn Abgeordneten aus den Reihen der Einheitspartei, die sich gegen Mobutu wandte und verhaftet wurde. Anfang 1982 gründete er die „Union für Demokratie und Sozialen Fortschritt“ (UDPS), die er heute noch anführt. Lange Jahre verbrachte er im Gefängnis; nach seiner Entlassung ging er kurz ins Exil, bis zu seiner Rückkehr im Februar 1991.

Wieviel Rückhalt genießt er heute? „Ich bin in der Lage, 95 Prozent der Bevölkerung der Hauptstadt zu mobilisieren“, hatte er im April behauptet. Doch die Ereignisse der letzten Woche, als sich die Bevölkerung der Hauptstadt nicht im geringsten um die politische Führung scherte, haben dieses Selbstvertrauen erschüttert und Tshisekedi zum Kompromiß mit Mobutu bewogen. Nun muß er schnelle wirtschaftliche Erfolge, eine Entmachtung der allmächtigen zairischen Beamtenkaste und der Mobutu-treuen Präsidialgarde erreichen, um die Bevölkerung Kinshasas vom Sinn seiner Regierungsübernahme zu überzeugen.

Zur Realisierung dieser Ziele wird er ausländische Hilfe brauchen. Bereits am letzten Freitag appellierten die drei stärksten Oppositionsparteien an die belgische Regierung, die belgischen und französischen Einheiten in Zaire in eine Friedenstruppe umzuwandeln. Diese solle „die Präsidialgarde neutralisieren, die für die meisten Verbrechen des Regimes verantwortlich ist“.

Ein ausländischer Kaufmann wurde drastischer. „Ich gebe der Regierung eine Woche“, sagte er einer Zeitung am Montag. „Wenn sie nicht in der Lage ist, den Verbleib der ausländischen Truppen zu verlangen, ist das Land erledigt. Dann wird es hier wie in Liberia.“ D.J.

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