Unverständnis über ZDF-Personalpolitik: Drei Seiten Wut und Hilflosigkeit
Das ZDF muss beim Personal kürzen und spart freie Mitarbeiter ein. Im Hauptstadtstudio braucht man deren Unterstützung im Wahljahr dringend.
Seit etwa 20 Jahren dreht Ludger Blanke für das ZDF, nicht zuletzt Politiker. Blanke ist Kameramann im Berliner Hauptstadtstudio. Dort am Zollernhof herrscht dieser Tage Hochbetrieb. Doch ausgerechnet im Jahr der Bundestagswahl bangt Blanke – wie so viele in der Kreativbranche freier Mitarbeiter – um seine Aufträge. Blanke ist damit nicht allein.
„Der große, stolze öffentlich-rechtliche Sender: perspektivlos, zynisch, asozial“, notiert Blanke in einem Rundbrief an betroffene Kollegen. Seine Wut füllt drei DIN-A4-Seiten – Hilflosigkeit gespickt mit Anekdoten.
So sei Studioleiterin Bettina Schausten „schockiert“ gewesen, als sie erfahren habe, dass „fast das gesamte Team, mit dem momentan die Sommerinterviews durchgeführt werden, (…) unter den neuen Bedingungen nicht mehr einen Tag arbeiten dürfte“.
Blanke ist Mitglied des Personalrats, bei dem die Probleme zusammenlaufen. Und die nehmen stetig zu, seitdem die Gebührenkommission KEF dem Sender vor fast zwei Jahren verordnet hat, 75 Millionen Euro zu sparen – und zwar ausschließlich beim Personal.
Die Verantwortlichen um Intendant Thomas Bellut können dabei kaum anders, als den Etat der Freien zu beschneiden: Denn wer fest ans Haus gebunden ist, könnte klagen.
Offiziell ist von 400 Stellenstreichungen die Rede
Offiziell ist von 400 der ursprünglich 6.000 Stellen im In- und Ausland die Rede, die wegmüssen.Weil sich viele Reporter und Techniker aber oft von einem Projekt zum nächsten hangeln und nur sporadisch im Einsatz sind, dürfte es am Ende sogar mehr als 1.000 Mitarbeiter treffen. Wie viele genau, wird erst 2016 klar. Bis dahin hat das ZDF Zeit, die KEF-Forderung zu erfüllen.
Uli Röhm, langjähriger Wirtschaftsredakteur des ZDF und Vorstand der Betriebsgruppe von Ver.di, glaubt an eine „unheimliche Allianz zur Schwächung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks“, deren Politik nun alle Abteilungen, und eben auch das Hauptstadstudio, treffe. „Es wird keinen Bereich geben, der außen vor bleibt“, prognostiziert Röhm.
Ver.di und der Deutsche Journalistenverband haben dem Sender nun einen „Sozialfonds“ abgerungen, der einzelnen Betroffenen zumindest vorübergehend helfen soll.
Mancher arbeitet nun nur noch indirekt für das ZDF, das Elemente seines Programms auslagert. So belasten die Leistungen nicht den Personal-, sondern nur noch den Produktionsetat – den hatte die KEF nicht kritisiert. Bei dem Polittalk „Log in“ etwa sind nur noch die Chefs beim ZDF unter Vertrag, die meisten Mitarbeiter bei der Produktionsgesellschaft Probono.
Die Studioleitung fühlt sich nicht zuständig
Die Studioleitung fühlt sich für die personelle Lage am Zollernhof, wo aktuell 470 feste und freie Mitarbeiter beschäftigt sind – die innenpolitischen Korrespondenten, das „Frontal 21“-Team, Regionalreporter, eine Kulturredaktion, das „Morgenmagazin“ – nicht zuständig. Und weist mit dem Finger in Richtung Mainzer Konzernzentrale. Dort heißt es, die „KEF-Anforderungen im Personalsektor“ würden „planmäßig und grundsätzlich flächendeckend“ umgesetzt.
Der nächste Engpass dürften die Koalitionsverhandlungen nach der Wahl sein. Dann müssen Reporter samt Kamerateams im großen Stil ausschwärmen. Blanke hat eine Theorie, wie das weitgehend ohne Freie funktionieren soll: Dann werde sich das ZDF „auf dem Markt der Firmen bedienen, die sonst damit beschäftigt sind, Hochzeiten und Betriebsfeiern abzufilmen“.
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