Untersuchung im Mordfall Hrant Dink: Türkei ermittelt gegen hohe Beamte
Ein Ex-Gouverneur und ein ehemaliger Polizeichef werden verdächtigt, in den Mord an dem armenischen Journalisten Hrant Dink verwickelt zu sein. Untersuchungen wurden bisher abgelehnt.
ISTANBUL afp | Mehr als vier Jahre nach der Ermordung des armenischstämmigen Journalisten Hrant Dink haben die türkischen Behörden Ermittlungen gegen mehr als zwei Dutzend hohe Beamte eingeleitet. Der Exgouverneur von Istanbul, Muammer Güler, sowie der frühere Polizeichef der Stadt, Celalettin Cerrah, sind nach Fernsehberichten unter den insgesamt 28 Beamten, die von der Staatsanwaltschaft verhört werden sollen.
Kritiker und auch das Europäische Menschenrechtsgericht in Straßburg hatten den Behördenvertretern vorgeworfen, Dink trotz vorliegender Drohungen durch Nationalisten nicht oder nur unzureichend geschützt zu haben.
Die neuen Ermittlungen gehen auf eine Eingabe der Anwälte der Familie Dinks bei der Istanbuler Staatsanwaltschaft zurück. Diese will den Berichten zufolge neben Cerrah noch weitere ehemalige leitende Beamte der Polizei in Istanbul und aus der Schwarzmeerstadt Trabzon verhören. Dink war am 19. Januar 2007 in Istanbul von einem jugendlichen Rechtsnationalisten aus Trabzon auf der Straße vor dem Haus seiner Zeitung erschossen worden. Der Journalist war bei Nationalisten verhasst, weil er dafür eintrat, die türkischen Massaker an den Armeniern im Ersten Weltkrieg als Völkermord anzuerkennen.
Trotz vieler Hinweise darauf, dass Mitglieder der Sicherheitskräfte von dem Mordkomplott gegen Dink gewusst haben oder möglicherweise sogar aktiv daran beteiligt waren, lehnten die türkischen Behörden bisher eine Untersuchung dieser mutmaßlichen Hintergründe ab; nur die unmittelbar Tatbeteiligten stehen vor Gericht.
Im vergangenen Jahr urteilte das Europäische Menschenrechtsgerichtshof, der türkische Staat habe Dink zuerst nicht geschützt und nach der Tat eine gründliche Aufklärung des Verbrechens unterlassen. Der Richterspruch aus Straßburg bildete nun die Grundlage für die Eingabe der Dink-Anwälte bei der Istanbuler Staatsanwaltschaft. Seit einer Woche befassen sich auch Inspektoren der unabhängigen Untersuchungsagentur des türkischen Präsidialamts mit dem Fall.
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