Mordprozeß in Istanbul: Lebenslänglich im Dink-Prozess

Der Drahtzieher und Unterstützer des Mordes an dem armenischem Menschenrechtler und Journalisten Hrant Dink ist in Istanbul zu einer lebenslänglichen Freiheitsstrafe verurteilt worden.

Gemeinsam mit rund 500 Demonstranten fordert die Witwe Rakel Dink (M.) vor dem Istanbuler Gericht Gerechtigkeit. Bild: reuters

ISTANBUL taz | Fast auf den Tag genau fünf Jahre nach dem Mord an dem bekannten armenischen Journalisten und Menschenrechtler Hrant Dink hat am Dienstag ein Gericht in Istanbul den Angeklagten Yasin Hayal zu einer lebenslänglichen Freiheitsstrafe verurteilt. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass Hayal den eigentlichen Schützen zu seiner Tat verleitet und bei der Ausführung unterstützt hatte.

Der Todesschütze Ogün Samast war bei der Tat vor fünf Jahren noch minderjährig und wurde bereits 2011 in einem abgetrennten Jugendstrafverfahren zu 22 Jahren Gefängnis verurteilt.

Die Staatsanwaltschaft hatte insgesamt sieben Personen vorgeworfen, mit dem Todesschützen eine Terrorzelle gebildet zu haben. Alle gehören zur rechtsradikalen, extrem nationalistischen Szene in der Schwarzmeerstadt Trabzon. Das Gericht sah aber nur bei Hayal die Schuld für erwiesen an. Der Staatsanwalt kündigte Revision an.

Hrant Dink, der frühere Chefredakteur der armenisch-türkischen Wochenzeitung Agos, war wegen seines Eintretens für eine offene Aufarbeitung des Völkermords an den Armeniern im Osmanischen Reich lange das Opfer nationalistischer Hetze.

Er war der prominenteste Journalist, der nach dem berüchtigten Strafrechtsparagrafen 301 "Beleidigung des Türkentums" verurteilt wurde.

Die Hintermänner sind nicht bekannt

Die Angeklagten hatten im Prozess angegeben, durch die Berichterstattung in den Medien auf Hrant Dink aufmerksam geworden zu sein. Die Familie von Dink, die im Prozess als Nebenkläger auftrat, hält das für eine Lüge.

Die Anwälte der Nebenkläger gehen vielmehr davon aus, dass die bis jetzt verurteilten jungen Männer lediglich von politischen Hintermännern benutzt wurden. Für diese These gibt es zahlreiche Hinweise, denen das Gericht aber nicht nachging.

So gab es in der Clique mindestens einen Polizeispitzel, der die Polizei und die Gendarmerie über die Attentatspläne auf dem Laufenden hielt. Als der Todesschütze Ogün Samast nach der Tat festgenommen und nach Trabzon gebracht worden war, wurde er von der dortigen Polizei regelrecht gefeiert.

Protest vor dem Gericht

Etliche Anträge der Nebenklage, hohe Polizeioffiziere aus Trabzon und Istanbul im Prozess vorzuladen, wurden abgelehnt. Nach jahrelangen Auseinandersetzungen war es der Nebenklage vor wenigen Wochen gelungen, die türkische Telekom zur Herausgabe von Telefonverbindungsdaten der Attentäter vor dem Mord zu zwingen. Die Polizei weigerte sich jedoch, den mehr als 6.000 Daten nachzugehen.

Gut 500 Freunde und politische Weggefährten von Dink hatten sich gestern noch einmal vor dem Gericht eingefunden und Gerechtigkeit und Aufklärung gefordert.

Der Prozess hatte über fünf Jahre eine hohe öffentliche Aufmerksamkeit, weil er als Test galt, ob die türkische Justiz und die Regierung bereit sind, sich mit der dunklen Seite der Vergangenheit auseinanderzusetzen. Diesen Test haben sie nach Meinung der Prozessbeobachter nicht bestanden.

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