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Archiv-Artikel

Unterricht auf der Straße

Schulbehörde will gegen Lehrer vorgehen, die mit ihren Klassen gestern zur Anti-Kriegs-Demonstration gegangen sind. Die Schill-Partei will das natürlich auch

In vielen Hamburger Schulen stapelten sich gestern Morgen die Entschuldigungen von Eltern, die es unterstützten, dass ihre Kinder statt zur Schule für Frieden auf die Straße gingen. Viele Schüler und Lehrer wurden von der Aktion allerdings überrascht. Einige Eltern wurden schnell per Handy befragt und faxten Entschuldigungen – die meisten Schüler aber nahmen einige unentschuldigte Fehlstunden in Kauf.

Die Bildungsbehörde hatte es den Schulen überlassen, wie sie damit umgehen. „Grundsätzlich verstehen wir die Betroffenheit der jungen Menschen, finden aber, dass das Thema in den Unterricht gehört. Streik erscheint uns kein geeignetes Mittel“, sagt Behördensprecher Hendrik Lange. Theoretisch kann die Behörde unentschuldigtes Fehlen auch mit Bußgeldern bestrafen: „Wenn beispielsweise ein Schulleiter sagt, er habe die Teilnahme an der Demonstration verboten, aber die Schüler sind trotzdem gegangen, dann sind wir am Zuge.“ Ganz sicher jedoch will die Behörde gegen Lehrer vorgehen, die mit ihren Klassen zur Demo gegangen sind. Ihnen drohten dienstliche Gespräche und Bußgelder „in eher dreistelliger Höhe“, sagt Lange.

Zwar begrüßen viele Lehrer das politische Engangement ihrer Schüler – inklusive der Lehrergewerkschaft GEW. Aber nicht offiziell: „Als Schulleiterin darf ich das nicht unterstützen“, sagt beispielsweise Hiltrud Kneuer von der Schule Slomanstieg. Nicht nur, weil unentschuldigtes Fehlen verboten ist, „sondern auch, weil die Schüler dann nicht versichert sind“. Ulrich Mumm, Schulleiter des Gymnasiums Allee in Altona, hätte eine Demonstration am Nachmittag besser gefunden, „schon weil dann klarer zu erkennen ist, wer es wirklich ehrlich meint“. Wer seine Schulpflicht verletze, der müsse mit unentschuldigten Fehlstunden rechnen.

Lehrer, die mit ihren Schülern gemeinsam demonstriert haben, sind auch ein persönliches Risiko eingegangen. Denn umgehend verkündete gestern Nachmittag die Bürgerschaftsfraktion der Schill-Partei: „Sollte es sich bestätigen, dass Schüler ihre Schulzeit genutzt haben, um auf einer Demonstration – unter Aufsicht ihrer Lehrer – Steine auf Polizeibeamte zu werfen, werden wir uns massiv dafür einsetzen, dass diese Lehrer disziplinarisch belangt werden.“

SANDRA WILSDORF