Unternehmer gegen Künstlersozialkasse: Soziale Verantwortung abgeben
Unternehmen greifen erneut die Künstlersozialkasse an. Viele Journalisten und andere Kreative sind auf diese Absicherung aber angewiesen.
Tatsächlich wächst der Kreis der KSK-Mitglieder seit Jahren teils dramatisch, von knapp 82.000 Begünstigten vor 20 Jahren auf heute gut 184.000. Ein wesentlicher Grund dafür ist die Digitalisierung: Mehr Menschen machen „was mit Medien“, ob nun als Designer oder Schreiber.
Außerdem rufen Konzerne Kreativität heute gerne in der „Cloud“ ab, bei Freischwebenden. Feste Schreibtische bieten die, die Kreativität verwalten, ungern an.
Werbeagenturen und Medienkonzerne attackieren nun das Privileg der Sozialversicherung via KSK – mal wieder. Immerhin müssen sie, wenn sie KünstlerInnen beschäftigen, die KSK mitfinanzieren. Am Ende zahlen Versicherte – ähnlich wie klassische ArbeitnehmerInnen – die Hälfte der Beiträge in die staatliche Renten- und gesetzliche Krankenversicherung, den Rest AuftraggeberInnen und SteuerzahlerInnen.
Zuletzt hat das System insgesamt 975 Millionen Euro im Jahr umgeschlagen: 50 Prozent kamen von KünstlerInnen, 30 Prozent von AuftraggeberInnen und 20 Prozent aus dem Bundeshaushalt. Dieser Mix sorgt überhaupt erst dafür, dass viele Kreative irgendwie über die Runden kommen: Zuletzt haben die KSK-Versicherten im Schnitt ein Einkommen von nicht einmal 16.000 Euro gemeldet – im Jahr. Sich komplett selbst zu versichern können sich viele bei derart überschaubaren Einkünften nicht leisten.
Ein Dorn im Auge
Seit ein paar Tagen sorgt ein Papier der hessischen Unternehmensverbände für Unruhe: Pro abgeführtem Euro falle bei den AuftraggeberInnen ein weiterer Bürokratie-Euro an. In der FAZ forderte deshalb ein Verbandsvertreter: KSK vereinfachten oder abschaffen!
Letztlich wird die Wirtschaftslobby vor allem davon träumen, dass die Künstlersozialkasse ihr Ende findet. Sie stellt sich nämlich vor, dass die KünstlerInnen die Arbeitgeberzuschüsse einfach nur in Rechnung stellen und selbst abführen, so wie das bei der Umsatzsteuer auch läuft. Das ist jedoch für KünstlerInnen riskant: Was, wenn sie zwar Honorar bekommen, AuftraggeberInnen aber nicht von der Zuschusspflicht überzeugt sind, die KSK dann aber von den Kreativen doch Beiträge einfordert? Ein finanzieller Puffer fehlt vielen.
Das von der Wirtschaftslobby vorgeschlagene Modell wirkt so nicht nur mäßig brauchbar, sondern ist auch eine reichlich durchschaubare Masche: Kreativkonzerne wollen Kreative nicht nur möglichst bequem austauschen können – und deshalb frei beschäftigen. Sie wollen auch mit deren sozialer Versorgung möglichst wenig zu tun haben – weil die Kreativen schließlich ihre eigenen Unternehmer seien. Das Motto der Kreativkonzerne: Verantwortung und die damit einhergehende Kontrolle ist uns zu lästig.
Mehr Kontrollen schaffen feste Arbeitsplätze
Das überrascht wenig, denn inzwischen hat sich gezeigt: Eine effiziente Kontrolle der Sozialversicherungspflicht, die mit dem KSK-Modell einhergeht, schafft echte Arbeitsplätze für Kreative. Seit bald zehn Jahren ist die Deutsche Rentenversicherung dafür zuständig, die KSK zu überwachen. Seit sie mehr und strenger als bisher prüft, ob KünstlerInnen und ihre AuftraggeberInnen sauber arbeiten, wandeln sich vor allem in der Verlagsbranche die Beschäftigungsmodelle.
Diverse Zeitungs- und Onlineredaktionen haben in den vergangenen Monaten viele JournalistInnen und andere Kreative angestellt, die sie bislang allzu freizügig als FreiberuflerInnen deklariert und das System KSK damit über alle Maßen beansprucht hatten (die taz hat ausführlich über die Leiharbeiter des Journalismus berichtet). Da leuchtet ein, dass Unternehmen das Kontrollrisiko und dafür die Prüfung der Abgabenpflicht outsourcen wollen. Sozial ist das allerdings nicht.
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