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Unterm Strich

Nachschlag Schiller Theater: Die bis zum Sonntag morgen andauernde Solidaritätsnacht, mit der Schauspieler, Sänger, Regisseure, Kabarettisten, Feuerschlucker, Leierkastenspieler, kurz: Künstler wirklich allerverschiedenster Couleur gegen die vom Berliner Senat beschlossene Schließung der Staatlichen Bühnen zu protestieren gedachten, ist mit viel Trara über die Bühne gegangen. Sabine Sinjen marschierte berucksackt über selbige, Bernhard Minetti erzählte das Märchen von der Blut- und Leberwurst, Walter Schmidinger plädierte mit Karl Valentin für einen „staatlichen Besucherzwang“ – alles unter dem trutzigen Fifties-Motto „Hurra, wir leben noch“. Auch der Rechtsweg ist mittlerweile nicht mehr ausgeschlossen: Der vom Berliner Staatsschauspiel mitbeauftragte Rechtsanwalt Peter Raue sieht in der Senatsentscheidung zur sofortigen Schließung des Schiller und Schloßpark-Theaters einen „glatten Vertragsbruch durch die Politiker“. Am Rande einer Diskussionsveranstaltung im Schiller Theater sagte Raue am Sonntag der dpa gegenüber, die zum Zeitpunkt der Entscheidung offenbar total übermüdete Senatsrunde, an der nicht einmal mehr die Senatsdirektoren teilgenommen hätten, habe in jener Nacht „einfach nicht nachgedacht“, was die juristischen Folgen der kurzfristigen Schließung seien. Das habe er in den 30 Jahren seiner Praxis noch nicht erlebt. Der Senat hat indes seine Sparpläne bekräftigt. Das Sparprogramm sei „ausgewogen und gerecht“, erklärte Senatssprecher Michael-Andreas Butz. Gleichzeitig erscheinen im Ticker-Angebot (aus der unsterblichen Feder von Wilfried Mommert) die ersten dramatischen Momin- Features unter Titeln wie „Die schwerste Stunde des Marathonläufers“. Tenor: Wird der Mann, dem „ein breites Kreuz nachgesagt wird“, das durchstehen? (Fortsetzung folgt.)

Der Berufsverband Bildender Künstler Berlins hat unter weit geringerer öffentlicher Beteiligung, aber nichtsdestotrotz „scharf“ gegen die Schließung der Kunsthalle protestiert. Damit würde der Kommerzialisierung der Kultur und der geistigen Verarmung Vorschub geleistet, kritisierte der Verband am Sonntag in einer Pressemitteilung.

Potsdam hat sich von alldem das Feiern nicht vergällen lassen. Ein „großes Kulturwochenende“ mit zahlreichen Ausstellungseröffnungen, Musik- und Theaterveranstaltungen, vor allem aber der bunten theatralen Stadtinszenierung „Capriccio Poztupimi“ zog am Wochenende Tausende nach Potsdam. 4.000 Besucher fanden sich trotz regnerischer Kühle, vulgo: Pißwetters auf dem Gelände des Babelsberger Parkes ein. Alles im „Capriccio Poztupimi“ und um es herum klappte auch reibungslos – bis auf einen kleinen Zwischenfall am Rande: Mitglieder der „Kampagne gegen Wehrpflicht, Zwangsdienste und Militär“ in Potsdam waren mit blauen Helmen auf dem Kopf

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