: Unterm Strich
Vor zwei Wochen meldeten wir an dieser Stelle das Filmprojekt Neues Deutschland. Ein Omnibus-Film von und mit Kluge, Hauff, Michael Verhoeven, Wicki, Peter Stein, Heiner Carow und anderen. Die Meldung war voreilig. Zwar soll der Film über Deutschland im Sommer 1990 nach Auskunft des Filmverlags der Autoren tatsächlich im Oktober starten, es wurden auch schon Teile gedreht, aber welche Autoren und Regisseure definitiv mitarbeiten, steht zur Zeit noch nicht fest. „Im Augenblick“, so Theo Hinz vom Filmverlag, wollen mehr als ein Dutzend Autoren und Regisseure mitmachen, aber länger als 100 Minuten soll der Film nicht werden“. Alexander Kluge wiederum bestätigte gegenüber der taz, daß er sich am Neuen Deutschland nicht beteiligen werde. Seiner Meinung nach sind die Bedin
gungen für solch ein Projekt in diesem Fall die falschen. „So ein Film darf nicht mit staatlicher Förderung entstehen“, so Kluge, „er muß absolut zensurfrei sein“. Da diese Voraussetzung nicht gegeben sei, werde er sich nicht beteiligen. Der Filmverlag versprach für nächste Woche genauere Auskunft.
Das Staatliche Filmarchiv der DDR in Berlin-Wilhelmshagen besteht aus vier großen Bunkern, darunter das weltweit größte Tiefkühllager für Farbfilme. Unter den unterirdisch gelagerten 17.000 Spielfilmen und 40.000 Dokumentarfilmen sind auch 150 Tonnen (oder 50.000 Filmrollen) Filme aus der hochexplosiven und sich selbst zersetzenden Nitrozellulose. Dieser viel zu hohe Bestand an Nitrofilmen sei eine der Erblasten, die das DDR-Archiv in eine möglicherweise bevor
stehende Vereinigung mit dem Bundesarchiv in Koblenz einbringe, sagt Wolfgang Klaue, seit 1969 Direktor des DDR -Filmarchivs. Eine bereits ins Auge gefaßte Zusammenlegung mit dem Bundesarchiv sei „eine große Chance in Deutschland für die Überlieferung des filmischen Erbes. Es wird eines der größten Filmarchive im internationalen Maßstab entstehen“, meint Klaue. Der sichtbare Verfall der jetzigen Anlagen in Wilhelmshagen schreitet seit einem Jahrzehnt unaufhaltsam voran. Für Erhaltungsmaßnahmen fehlt das Geld. Sorgen bereiten Klaue auch die Turbulenzen in den DEFA -Studios in Babelsberg. Diese könnten dazu führen, daß die von einem nicht mehr amtierenden Kulturminister angeordnete Abgabepflicht von Filmkopien an das Archiv nicht mehr erfüllt werden könnten. „Dann fehlen uns ausgerechnet die
letzten Produktionen der sich womöglich auflösenden DEFA.“ Der Archivdirektor weiß um seine Schätze: Es sind große Teile des einstigen Reichsfilmarchivs, die bis zu den ersten Filmversuchen der Berliner Brüder Skladanowsky von 1895 zurückreichen sowie die gesamte Filmproduktion der DEFA seit 1946. Das Staatliche Filmarchiv der DDR wurde 1955 gegründet. Die Sowjets gaben damals Bestände aus dem Lager des Reichsfilmarchivs an die DDR zurück. Nach Klaues Schätzungen waren das aber nur 40 Prozent des Gesamtbestandes. Andere Teile seien zerstört worden oder den Amerikanern und Briten zugefallen. Sie lagerten heute in der Library of Congress (Washington) und im Imperial War Museum ( London). Die UFA-Akten wurden von Amerikanern später an das Bundesarchiv in Koblenz übergeben.
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