: Unterm Strich
DDR-Innenminister Diestel hat dem NS-Erfolgsbildhauer Arno Breker zu dessen Geburtstag mit einem ganz persönlichem Geschenk beehrt. Der Schöpfer zahlreicher Monumentalplastiken, der auch nach dem Ende seiner glühendsten Verehrer aus der NSDAP-Führung, nicht über Auftragsmangel klagen konnte, wurde am Donnerstag 90 Jahre alt. Rechtzeitig zu dem Jubiläum des 1948 von einer „Spruchkammer“ als Mitläufer eingestuften Künstlers, kam aus dem DDR-Innenministerium die Nachricht, daß aus einem See in der Nähe des ehemaligen Jagdsitzes des Reichsfeldmarschalls Göring vier Bronzestatuen geborgen wurden. Drei von diesen lebensgroßen nackten Frauenleibern sind mit dem Namenszug des greisen Brekers signiert. Sie stammen aus dem umfangreichen Kunstbesitz Görings,
um dessen Verbleib seit Kriegsende viele Gerüchte ranken. 1945 wurde sein Schloß Karinhall von der Roten Armee gesprengt. Die Plastiken hatte der Naziführer vor seiner Flucht in den Westen Deutschlands im Döllnsee versenken lassen. Kriminalisten der Neubrandenburger Polizei bargen die von Kunsthistorikern als drittklassig eingestuften Statuen in einer Nacht-und-Nebel-Aktion. Diestel setzt damit seine Erfolgsserie fort. Nach der RAF-Hatz und dem karitativen Einsatz für das heimatlose Ehepaar Honecker nun die Profilierung als Schatzsucher.
Breker wird sich über diese Nachricht sicherlich umso mehr freuen, als auch prominente DDR-Kunsthistoriker nun beginnen, das Werk des bislang in der DDR Verfemten aufzuwerten. Dr. Papies, Kustos der Nationalgalerie in Ost -Berlin, plädiert für eine Aufstellung der
Nackten „in einem öffentlichen Raum“. Damit hat die DDR eine erneute Schamgrenze eingerissen. Bereits in den 50er Jahren haben Persönlichkeiten aus der westdeutschen Hochfinanz und Politik diesen Schritt vorweggenommen. Breker war einer der gefragtesten Porträtplastiker in der deutschen Nachkriegskunst.
Der Ost-Berliner Kunsthistoriker Papies wies in einem Interview mit der DDR-Gewerkschaftszeitung 'Tribüne‘ darauf hin, daß Breker, der in der Zeit von 1937 bis 1945 an der Kunsthochschule in Berlin als Professor lehrte, mit „progressiven Künstlern“ Kontakt pflegte. Zu seinem Freundeskreis gehörten Jean Cocteau und Roger Peyrefitte. Vorwürfe, daß seine „Darstellung der Schicksalskämpfe, in denen nordisches und germanisches Blut um den Bestand des Abendlandes kämpfen“ (NS-Kunstkri
tiker), das Unrechtssystem mittrugen, wies Breker mit der Bemerkung zurück, er habe „nicht mehr und nicht weniger politische Vergangenheit als manch ein Politiker, der nach 1945 in höchsten Ämtern die Bundesrepublik mitzugestalten versuchte“. Ob er sich mit dieser Bemerkung die Aufmerksamkeit des aufstrebenden Diestel zugezogen hat, ist nicht zu beweisen. Und es bleibt abzuwarten, was der konservative Jungpolitiker mit den Werken des im Dritten Reich als „Michelangelo des 20. Jahrhunderts“ gefeierten Künstlers anzufangen gedenkt. Dem Streit um die Präsenz faschistischer Kunst in deutschen Museen könnte der Fund aus der Schorfheide erneuten Auftrieb geben. Gestandene Kunsthistoriker bewerten das Werk des Monumentalkünstlers nüchterner: Für sie bleibt er ein „schlechter Bildhauer“.
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