: Unterm Strich
Die diesjährige Preisverleihung auf der Biennale in Venedig hat vor allem aber in den italienischen Zeitungen einen Sturm der Entrüstung provoziert. „Diktator Gore Vidal“ schreibt Tullio Kezich im 'Corriere‘ über den Jury-Präsidenten, dem es wohl hauptsächlich zu verdanken ist, daß Tom Stoppards Verfilmung seines Theaterstücks „Rosencrantz und Guildenstern are dead“ den Goldenen Löwen bekam. Kezich spekuliert wie viele, daß Vidal wohl pro domo votierte. Als Schriftsteller verlieh er den Preis weniger einem Film als einem Drehbuch, sprich einem Theaterstück. In der Tat hatte Vidal schon zu Beginn der Biennale verkündet, daß er nach Venedig komme, um zu beweisen, daß „alle Regisseure Scharlatane“ sind. Die wahren Künstler seien die Drehbuchautoren. „Ungerecht und lächerlich“, urteilt Roberto Silvestri im 'Manifesto‘ — Titel seines Kommentars: „Die Schande von Venedig“. Auch 'Le Monde‘ spricht von faulen Kompromissen und zitiert Vidals Verdikt über die Regisseure. Die 'Reppublica‘ weiß wieder am meisten, zum Beispiel daß die Jury sehr zerstritten war und daß die Entscheidung für Stoppard sehr knapp ausfiel: fünf zu vier. Zufrieden ist dagegen Festivalchef Guglielmo Biraghi: „Ein Erstlingswerk wurde prämiert und ein zweites Werk“ (Tom Stoppard und Jane Campion), „entsprechend dem Geist des Festivals, das dem jungen Kino besondere Aufmerksamkeit schenkt“. Tom Stoppard ist 53 Jahre alt. Auch daß als letzter Film im offiziellen Programm Scorseses Dokumentarfilm über Giorgio Armani lief erfreut Biraghi: „Mode und Kino passen gut zusammen.“
Die Fortsetzung von Polanskis „Chinatown“, The Two Jakes von und mit Jack Nicholson wird im Februar auf der Berlinale zu sehen sein.
Martin Scorsese will sich nochmal mit der Mafia beschäftigen. Zwar wollte er schon nach „Mean Streets“ und „Raging Bull“ das Thema eigentlich nicht mehr behandeln, aber als er das Buch von Nicholas Pilleggi über den Mafioso Henry Hill gelesen hatte, konnte er nicht widerstehen und drehte „Goodfellas“ (Filmstart: 11.Oktober). Jetzt hat er wieder ein Buch gelesen, „The Man between“ von Johnny Manca, auch eine wahre Geschichte: Manca war zehn Jahre lang ein kleiner Gangster und dann zehn Jahre Polizist. Vorher wird Scorsese aber noch ein Remake von „Cape Fear“ drehen, einem Film aus den frühen sechziger Jahren mit Robert Mitchum und Gregory Peck. Scorsese: „Es wird ein altmodischer Film werden, und ich hoffe, daß ich ihn mit meinen persönlichen Eingriffen nicht ruinieren werde. Den Part von Mitchum übernimmt Robert de Niro, über die anderen Rollen habe ich noch nicht entschieden.“
Die Wiedervereinigung bringt auch Probleme für die Geschichte des Kinos: Rund 100.000 Rollen Film auf leicht vergänglichem und sogar entzündbarem Nitromaterial wird das bisherige Staatliche Filmarchiv der DDR mit Sitz in Berlin in den Bestand des Bundesarchivs Koblenz einbringen. Finanzielle und personelle Möglichkeiten erlaubten es aber nur, jährlich höchstens 3.000 Rollen der historischen Streifen auf moderneres Material umzukopieren.
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