: Unterm Strich
Vom Krieg gezeichnet durch das, was er selbst eine „lukrative Gesichtsverstümmelung“ nannte, hatte der Schauspieler Hans Christian Blech das ideale Gesicht für die Rolle des jungen, faschismusanfälligen Asozialen in dem Nachkriegsfilm „Affaire Blum“ (DDR 1948). Noch einprägsamer war seine Darstellung eines KZ-Häftlings in „L'enclos/Ograda“, der trotz Folter und Qual bis zum hochnotsymbolischen Schluß an seinen Überzeugungen festhält. Sein nüchterner, umgangssprachlicher Ton; seine Erfahrungen in der Kriegsgefangenschaft und seine Herkunft aus einfachen Verhältnissen machten den 1915 in Darmstadt geborenen Beamtensohn zum Prototyp des deutschen Desperado, als der er auch in den USA gefragt war. Mit seinem Narbengesicht beherrschte er zum Beispiel „Decision Before Dawn“ (1951), wo er einen opportunistischen deutschen Offizier gab, der sich als Spion bei der US-Army verdingt. Fast wäre die Rolle des korrupten, opportunistischen Denunzianten, des Mörders, Attentäters oder Frontschweins sein Fach geworden; in der Dürrenmatt-Verfilmung „Der Besuch“ war er ebenfalls ein windiger Polizeichef; in Wim Wenders' „Falsche Bewegung“ (1975) ein Straßensänger mit nationalsozialistischer Vergangenheit.
Der Wahlmünchner, der eher zurückgezogen in Schwabing lebte, schreckte keineswegs davor zurück, sich in biographischen Angaben um zehn Jahre jünger zu machen. „In diesem Hurengeschäft muß man so etwas tun, sonst spielt man den Lear schon, wenn man noch Kraft und Lust auf den König Richard hat“, teilte der schnoddrige Mime dpa in einem Interview mit. Daß auch die Mitwirkung an unzähligen Fernsehserien ihm nichts von seiner Verve und Prägnanz genommen hat, konnte man in der Frank-Beyer-Verfilmung „Das große Fest“ sehen, wo Blech ein verbittertes Opfer der Wiedervereinigung gab. Am Freitag starb Hans Christian Blech im Alter von 78 Jahren.
Weil sie nicht allzuviel Besseres zu tun haben, begingen am Sonntag Repräsentanten Berlins und Ägyptens im Ägyptischen Museum gegenüber dem Schloß Charlottenburg in dieser unserer Stadt eine Feierstunde zur Feier des 150. Jahrestags des Beginns archäologischer Ausgrabungen in Ägypten durch den deutschen Wissenschaftler Karl Richard Lepsius, der als erster die Archäologie in den Rang der Wissenschaften erhoben hatte. Damit nicht genug, brachte er von einer Expedition, die vom Niltal bis in den Sudan reichte, insgesamt 1.500 ägyptische Antiquitäten mit nach Deutschland, schöne Nasen wahrscheinlich, und Augenränder und Armreifen und bemalte Tonvasen und so wat. Wenn Sie aber jetzt glauben, daß uns hier mal irgendwer was von irgendwoher mitgebracht hätte – wiewohl es uns ja an Reisenden durchaus nicht mangelt –, dann haben Sie sich schön geirrt. Nicht ein kleiner Armreif, keine Wüstensandale, nichts.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen