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Unterm Strich

Ausnahmsweise einmal nicht aus Hamburg, sondern aus Venlo kommt ein neues Presseorgan, das weithin leuchtende Überflüssigkeit für sich in Anspruch nehmen darf: Unique, das Modeheft, das „beispielsweise Reiterhosen nur für die Figur empfiehlt, die sie wirklich tragen kann“. Es hilft auch Leserinnen, die schreiben: „Ich würde gerne Blazer tragen, gefalle mir aber nicht darin.“ Die Redaktion (passenderweise neben dem Herstellernachweis auf der vorletzten Seite zu finden) macht sich verdient um die Bewältigung der wachsenden Schwierigkeiten mit der in der Moderne von jederfrau abgeforderten Individuation und geht auf die spezifischen Modeprobleme ein. „Achten Sie darauf, daß der Eyeliner nicht zu hart ist, die Wimperntusche Ihre Wimpern nicht zusammenklebt und der Brauenstift wirklich der Farbe Ihrer Augenbrauen entspricht.“ Und daß die Hose zwei Beine hat und der Rock jeweils oben und unten ein Loch.

Eine weitere mahnende Äußerung ist aus Nürnberg überliefert: Die MitarbeiterInnen des dortigen Germanischen Nationalmuseums protestierten in einem offenen Brief am Freitag gegen eine Fusionierung des GNM mit dem Deutschen Historischen Museum in Berlin. Es wird nämlich eine gemeinsame Leitung für beide Häuser diskutiert, damit die reichen Bestände des finanziell unzureichend ausgestatteten GNM mit dem gut dotierten Berliner Projekt zu Nutz' und Frommen beider sich ergänzen mögen. Die Nürnberger, beiläufig verschuldet mit zwei Millionen Mark, befürchten nun, daß der jetzige Direktor des Berliner Museums mit Namen Christoph Stölzl bei gelingenden Unterhandlungen automatisch zum Chef der fusionierten Museen aufsteigen würde, die Nürnberger Sammlungen „zur Rettung des politischen Projekts Deutsches Historisches Museum“ instrumentalisieren und Nürnberg zur unselbständigen Filiale degradieren wolle.

Das Literaturhaus Berlin wird von der taz unentschuldbar vernachlässigt. Wir begleichen alte Schulden mit der Wiedergabe eines Veranstaltungshinweises für den 5.10., den Sie hiermit in Ihr Notebook übertragen können: „Eine Veranstaltung des Verbandes Deutscher Schriftsteller (VS) Berlin in der IG Medien. 19.30 Uhr: Tischgesellschaft. In der Reihe ,Autoren laden Autoren ein‘ ist diesmal – beim Wein am Kamin – der Autor Lothar Klünner Gastgeber (mögliches Thema: Krise der Literaten).“ Ein weiterer Hinweis: „Montags, 21 Uhr: Wortservierungen. Sie trinken was – wir lesen was. Richard Burger liest von ihm ausgewählte Texte. Café im Literaturhaus, Wintergarten.“ – Hauptstadt ist gut, Literatur noch besser, und die Kombination Hauptstadt & Literatur, Literatur in der Hauptstadt, Hauptstadt in der Literatur (in allen möglichen Schreibweisen und Verwendungen) ist einfach Spitze, vor allem, wenn der Genuß von Allohol! eine tragende, bauchbindende Rolle spielt.

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